Herausgeputzt
In einer feierlichen Zeremonie nahm unser Pfarrer, Pater Peter van Meijl, die Einweihung des „herausgeputzten“ Portals der Turmkapelle vor. Unter den zahlreich erschienenen Gästen befanden sich auch die großzügigen Sponsoren des Projektes: die Mitglieder des Lions Club Wien Ostarrichi, das BDA Wien, vertreten durch Frau Mag.a Manuela Legen, und nicht zuletzt die Bezirksvorsteherin Frau Ursula Stenzel. Im Anschluss soll das frühbarocke Portal nun hinsichtlich seiner Gestaltung und Ikonografie, sowie den Umständen, die zu seiner Entstehung geführt haben, vorgestellt werden.
Text: Mag.a Doris Fries
Beschreibung
Das volutenbesetzte („geohrte“) Steinportal mit Inschriftenfeld im Türsturz wird von einem offenen („gesprengten“) Dreiecksgiebel bekrönt. Auf den Schrägen des Giebels sitzen zwei Putti, die dem Betrachter ein in ihrer Mitte platziertes, liturgisches Gefäß, ein Ziborium, präsentieren.1 Die Widmungsinschrift unterhalb der Darstellung kommentiert diese:
„BENEDICTVM SIT SANCTISSIMVM SACRAMENTVM
Gelobt Seye daß Allerheiligste Sacrament
CONGREGATIO
LAVDABILIS CONFRATERNITATIS
SACRATISSIMI CORPORIS CHRISTI APVD SANCTVM
MICHAELEM
MDC(X)LIII“
Entstehungsgeschichte
Die Inschrift (in der Übersetzung)
„GELOBT SEI DAS ALLERHEILIGSTE SAKRAMENT
DIE BRUDERSCHAFT
DER ANBETUNG DES ALLERHEILIGSTEN CORPORIS CHRISTI IN SANKT
MICHAEL
1643“
verrät die Autorenschaft der „Corporis Christi-Bruderschaft“ (auch „Gottleichnams-“ oder „Fronleichnamsbruderschaft“) als Auftragsgeber. Diese war wie jede Bruderschaft eine private Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit, Statuten und eigenem Vermögen und hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft allgemein zugänglich. Wahrscheinlich im Jahre 1402 gegründet, stellt sie neben der St. Nicolai-Bruderschaft die zweitälteste Bruderschaft der Pfarre dar.2 Ihre Aufgabe sah sie zunächst in der Betreuung des Gottleichnamsaltars3 im Arrangement der Fronleichnamsprozession.
Die Gestaltung des Portalgiebels kann als bildliche Selbstpräsentation der Bruderschaft gelesen werden: Das, die konsekrierten Hostien bewahrende, Ziborium symbolisiert die Gegenwart des Allerheiligsten („Corpus Christi“), das zur Adoration ausgesetzt wird (dementsprechend: „Bruderschaft der Anbetung des Allerheiligsten CORPORIS Christi“).
Das Datum der Widmungsinschrift, 1643, dürfte in Zusammenhang mit der Beilegung eines jahrelang schwelenden Konfliktes zwischen der Bruderschaft und den Barnabiten stehen: Deren Wurzeln reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. In dieser Zeit (vermutlich zwischen 1514 und 1539) wurde der Gottleichnamsaltar von seinem bisherigen Standort in der heutigen Turmkapelle ins Langhaus der Kirche, vor den Lettner, versetzt.
Seither diente der Raum unter dem Turm der Bruderschaft nur mehr als Sakristei und Versammlungsraum. Da sich dieser als zu beengt erwies, ließ sich die Bruderschaft eine neue Sakristei an der Nordwand des Hauptchores erbauen; diese wurde ihr jedoch im Jahre 1627 wieder von den Barnabiten entzogen. Als Ersatz dafür bekam sie einen anderen Raum zugewiesen. Im Raum unter dem Turm dagegen stellten die Barnabiten zwischen 1633 und 1640 den Taufstein auf, der bisher im Mittelgang der Kirche gestanden war. Den fortgesetzten Beschwerden der Bruderschaft über ihre Verdrängung wurde schließlich durch ein Abkommen Rechnung getragen:
Die Bruderschaft erhielt die Sakristei beim Chor zurück, für die Weiterbenutzung des Raumes unter dem Turm musste sie fortan den Barnabiten 10 t4 jährlich zahlen; außerdem erhielten die Barnabiten einen einmaligen Betrag von 500 fl.5 zur Erbauung einer neuen Taufkapelle (neben der Turmkapelle). Mit dem Abschluss der Bauarbeiten an der Taufkapelle kam es auch zur Übertragung des Taufscheins dorthin.
Die glückliche Wendung der Umstände und die Wiedererlangung ihres traditionellen Versammlungsraumes dürfte die Bruderschaft schließlich auch zu der großzügigen, repräsentativen Ausschmückung des Kapelleneingangs im Jahre 1643 bewogen haben.
Restaurierung
Ziel der aktuellen Restaurierungsmaßnahme war zum einen eine umfassende Oberflächenreinigung des Sandsteinportals und zum anderen dessen weitgehende Rückführung auf seine ursprüngliche Gestalt(ung). Insbesondere für den Giebelschmuck bedeutete dies die Entfernung der zahlreichen, später aufgetragenen und teilweise formverändernden Fassungen (Tünchschichten), die Ergänzung von Fehlstellen, als auch die Neumodellierung der rechten Puttofigur6, die sich sowohl in ihrer formalen als auch materialtechnischen Qualität als nicht erhaltenswert erwiesen hat.
1 Der Giebelschmuck weist einige Fehlstellen auf: Teil der Gestaltung war ursprünglich auch eine modellierte Stoffdrapierung, die beide Engel, entsprechend einem Kelchvelum (Kelchtuch) zur feierlichen Enthüllung des Ziboriums „anhoben“.
2 Siehe hierzu Perger, S.90.
3 Der Altar war von 1357 bis etwa 1514/1539 in der nach ihm benannten Gottleichnamskapelle, der heutigen Turmkapelle, lokalisiert.
4 talentum= Pfund.
5 florentus=Gulden.
6 Diese hatte sich ihrerseits bereits als spätere Ergänzung der über die letzten Jahrzehnte verlorengegangenen beziehungsweise zerstörten Originalfigur herausgestellt.
Bildinformation
Portal zur Turmkapelle, Michaelerkirche, Wien I
Bildnachweis
Pfarre St. Michael, Wien I
Literatur
- Karl Schütz, Musikpflege an St. Michael in Wien, Wien 1980, S. 54 ff.
- Richard Perger, Pfarrgemeinde, Stiftungen und Bruderschaften bis 1626, in: St. Michael, Stadtpfarrkirche und Künstlerpfarre von Wien 1288-1988, Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt Wien, Wien 1988, S. 29 f.
- Richard Perger, Baugeschichte und Ausstattung bis 1626, in: ebenda, S. 90.
Dieser Text ist gekürzt veröffentlicht in Michaeler Blätter, Nr. 26, Februar 2013