Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.
Liebe Jubilare P. Albert, P. Martin, P. Thomas und P. Franz, liebe Mitbrüder in der priesterlichen und diakonalen Sendung, liebe Schwestern und Brüder des gemeinsamen priesterlichen Volkes Gottes. Heute feiern wir eine besondere Art des Erntedankes. Wer denkt, beginnt zu staunen und wird dankbar. Jahrzehnte gelebte Zeit sind immer das Staunen über die Gegenwart und das Wirken Gottes in den Veränderungen der Zeit. Der Mensch bleibt derselbe, auch wenn er nach den Jahrzehnten nicht mehr der gleiche ist. Ein Jubiläum rückt in den Blick, was bleibt.
Es ist nicht die Bilanz von Leistungen, sondern die gelebte Bereitschaft, die Freude des Evangeliums zu leben. 60 Jahre, 50 Jahre, 30 Jahre priesterlicher Dienst – das ist persönliche Lebens- und Glaubensgeschichte in einer bewegten Kirchengeschichte mit Aufbrüchen und Umbrüchen als Folge des II. Vatikanischen Konzils, mit Euphorie und Ernüchterung, mit Zeiten des Wachsens und Reifens, mit Zeiten des Wartens und beinahe Stillstandes. Beides gehört zusammen, damit Berufung in die Tiefe geht.
Wer damals zum Priester geweiht wurde, ist mit der Botschaft des Aggiornamento aufgebrochen. Den Glauben ins Heute zu tragen, „die Zeichen der Zeit zu verstehen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“. Kritisch zu sein im Sinne der Unterscheidung der Geister, was mehr zum Leben und zur Freiheit führt.
Heute wollen wir bewusst für das viele Gute, Heilsame danken, das ihr an unterschiedlichen Orten getan habt bzw. das durch euch geschehen ist. Danken möchte ich euch für die Freude, mit der ihr euren Dienst getan habt und bis heute tut. Der Grund der Freude und der Dankbarkeit liegt in Jesus Christus, dem Heiland der Welt, der euch gerufen und gesandt hat, auf den ihr euch eingelassen und dem ihr euch vorher schon als Salvatorianer in den Gelübden bei der sogenannten Profess versprochen, ja geweiht habt. Dadurch seid ihr Lernende, Jünger des Heilandes geworden und wie wir heute wissen, ist niemand damit fertig, es gilt das ein Leben lang.
Papst Franziskus sagte in der Predigt zur Chrisammesse 2014: „Der Herr hat uns in Christus mit dem Öl der Freude gesalbt, und diese Salbung lädt uns ein, dieses große Geschenk – den Frohsinn, die priesterliche Freude – zu empfangen und sie uns zu eigen zu machen. (...) Ich finde drei bedeutsame Wesensmerkmale in unserer priesterlichen Freude: Es ist eine Freude, die uns salbt (nicht etwa uns „einölt“ und uns salbungsvoll-heuchlerisch, glanzliebend und selbstgefällig-glatt macht), es ist eine unvergängliche Freude, und es ist eine missionarische Freude, die auf alle ausstrahlt und alle anzieht.“
Das ist bei jedem von euch auf unterschiedliche Weise spürbar: Ihr seid Priester aus Passion – aus großer Leidenschaft und mit großer Freude nach all den Jahren, bzw. durch all die Jahre hindurch. Unser Gründer, der selige Franziskus Jordan legte uns ans Herz: „Sie sind berufen zu leuchten und der Welt das Licht zu zeigen“. Euer Leuchten kommt aus dem Inneren, aus den Augen, und ist kein äußerliches Glänzen. Es kommt aus der täglich durchgehaltenen Treue, aus dem auch mühevollen Dranbleiben, das Feuer zu hüten!
Denn ein Priester ist kein Engel, - er ist ein Mensch wie andere auch: Selbst ein Suchender, Ringender, Mühseliger, Beladener… Gott sei Dank sehen wir heute den Priester nüchterner als je zuvor. Er ist nicht mehr der Hochwürden, wohl aber steht hinter jedem Menschen Würde, die auch ein wesentliches Element für die Priester ist. Und: Er ist jemand, der unter dem Auftrag Gottes steht wie jeder andere Getaufte auch; er hat nicht eine höhere, sondern eine andere Berufung. Die Bibel sagt uns: „Derselbe ist der Herr, dasselbe ist das Ziel, anders ist die Aufgabe.“
In der Erklärung der Orthodoxen Liturgie heißt es sinngemäß: Der Priester zieht zum Gottesdienst das Messgewand an, nicht, um sich vom Volk zu unterscheiden, sondern, um sich bei dem, was er hier tut, von sich selbst zu unterscheiden.
In der Weiheliturgie sagt der Bischof zum Weihekanditaten: „Bedenke, was Du tust, ahme nach, was Du vollziehst und stelle Dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!“
Wir Priester werden daran gemessen, ob wir die Menschen zum Geheimnis Gottes heranführen und begleiten und somit zur Schönheit und Strahlkraft des Glaubens in allen Niederungen des Lebens. Also, ob wir Menschen in die größere Freiheit der Kinder Gottes oder in größere Abhängigkeit führen. Paulus schreibt den Korinthern: „Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude“ (2 Kor 1, 24).
Ein feuriges, frohes, freies, ja sehr sympathisches Bild von Kirche konntet ihr sichtbar machen nicht zuletzt auch durch eure musikalische Begabungen, gemeinsam ist das Singen. Das Autenthische interessiert und überzeugt. Nicht in erster Linie unsere Werke, das Geschaffene, Aufgebaute, sondern das, was und wie wir leben – das Feuer, das in uns brennt, das Interesse und die Leidenschaft für die Menschen, für das Leben, das spürbar ist im Umgang miteinander. Und was aus unserer Anfangsbegeisterung geworden ist durch dieses jahrzehntelange treue Dranbleiben, im Suchen und Ringen, im Kämpfen und Leiden – was da an Güte und Menschenfreundlichkeit, an Leidenschaft und Barmherzigkeit hervorleuchtet, das steckt an und hat Überzeugungskraft. Dieses Zeugnis ist gefragt und macht Mut. Und das ist unser wesentlicher Beitrag gerade als ältere und alte Menschen.
Schauen wir auf das Evangelium, woher das kommt.
Nach der Auferstehung begegnen die Jüngerinnen und Jünger dem Auferstandenen Jesus Christus auf unterschiedlichste Weise. Eine dieser Ostererzählungen haben wir gerade gehört. Am See von Tiberias/ Genezareth sehen die Jünger den Herrn. Es folgt ein reicher Fischfang und das gemeinsame Essen rund um ein Kohlenfeuer. Der Apostel Petrus macht dabei eine besondere Erfahrung. Jesus fragt ihn dreimal: „Simon, Liebst du mich?“ Seine Frage geht ganz tief und trifft mitten ins Herz: „Liebst du mich?“
Diese Frage lässt mich seit den Exerzitien vor meiner Priesterweihe nicht mehr los. Gottesbeziehung, Glaube, Frömmigkeit, Christsein hat in erster Linie weniger mit dem Kopf zu tun, oder mit Wissen, oder mit Erfolg. Gottesbeziehung ist in erster Linie eine Liebesbeziehung, ist eine Herzensangelegenheit, ist die Antwort auf die Frage Gottes an mich: "Liebst du mich?"
Das war die entscheidende und einzige Frage, die Jesus dem Petrus stellte - nicht "Welche Fähigkeiten hast du?" oder "Wirst du stets und immer treu sein?". „Liebst du mich?“ Alles andere ist zweitrangig.
Dreimal antwortet Petrus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Genau darum geht es Jesus jeden Tag: „Liebst du mich?“ Gott sehnt sich nach diesem Ja, weil er Liebe ist.
Wenn Jesus beruft, dann geht es ihm zuerst um die Liebe. Gerade auch wenn wir über das Priestersein nachdenken. Es geht um diese Begegnung und Berührung Gottes. Dass ich selbst berührt bin und berührbar bleibe und Menschen diese Berührung Gottes, diese Liebe Gottes, zusage, schenke, mit ihnen teile. Nicht nur im seelsorglichen Gespräch und in der Feier der Sakramente. Sondern vor allem gerade in kritischen Situationen von Leid, Schuld und Tod, wo man ja selbst zutiefst berührt wird.
Wir sind geweiht, damit mehr Liebe in die Welt kommt. Da gilt es auch um der Liebe willen jene wahrzunehmen, die wir, die ich ver-letzt habe, die ich nicht erreicht habe oder die mich auch über-fordert haben.
Wir sind gesendet, um Segen zu sein. Das Segensbedürfnis ist nach wie vor sehr groß! Ich bin durch mein Wirken auch zur Last und Belastung geworden, habe Lasten auferlegt.
Wir sind geweiht, Zeichen und Werkzeug zu sein, damit Menschen mit Gott in Gemeinschaft kommen. Manchmal gelten wir als Hindernis, als Mauer zwischen Menschen und Gott.
So ist das Gedenken an die eigene Weihe und Sendung verbunden mit der Bitte um Reue und Umkehr, um Vergebung und die Heilung der Erinnerung, dass ich im Frieden mit mir und mit den Menschen bin. Wir leben in einer Zeit der Reinigung. Das tut weh, macht uns ärmer und einfacher, bringt uns hoffentlich aber wieder näher in die Freundschaft mit Jesus.
Jede Lebensphase, jede Alterstufe ist eine Herausforderung für unser Leben und unser Menschsein. In jeder Lebensphase gibt es Chancen und Gefährdungen.
Jede Phase hat vermutlich auch ihre blinden Flecken, d. h. dass wir wichtige Werte vergessen oder links liegen lassen, weil anderes scheinbar wichtiger ist. Das Alter bringt manchmal zum Vorschein, was in den Zeiten der vollen Aktivität nicht auffiel, und erhellt so die vorhergehenden.
In diese Liebe zu Gott hineinwachsen und grundsätzlich an ihr fest- halten trotz sich wiederholenden Versagens, das ist der Weg für uns alle. Wir alle sind einmalig, unterscheiden uns wie die Apostel Petrus und Paulus im Charakter voneinander. Wir haben verschiedene Lebenswege und Glaubenserfahrungen durchschritten. Gemeinsam, den Aposteln und jedem von uns, ist der Auftrag Jesu, am Reich Gottes mitzubauen. Es gibt keine Unberufenen das sah unserer Gründer, der selige Franziskus Jordan, schon Jahrzehnte vor dem dem II. Vatikanischen Konzil. Auf jedem Grund, selbst wenn es kein Felsen ist, möchte Jesus sein Reich bauen.
Die ersten Christen haben die neue Lebenskraft, die von Christus ausging, mit der Wirkung des Weines verglichen: wie der Wein, der in südlichen Ländern selbstverständlich immer zum Essen gehört, zu guten, offenen Gesprächen anregt und das Gefühl verleiht, dass man zusammengehört, dass alles irgendwie leichter wird, so ist der Geist Jesu das Lebenselixier, der Geschmack am Leben. Wer davon etwas versteht, für den schmeckt das Evangelium und das Leben nach dem Evangelium wie Wein, wohltuend, anregend, aufbauend.
Liebe Jubilare: Möge uns heute allen an eurem Fest der Dankbarkeit und Treue der Geist geschenkt werden, von dem es heißt, dass wir durch ihn den Geschmack finden am Rechten, an der Kraft und Würze des Lebens!
Und das auf viele, viele Jahre- Ad multos annos!
Provinzial P. Josef Wonisch