Die Märtyrer der Gesellschaft des göttlichen Heilandes
In einem Archiv lagern nicht nur die Unterlagen zur Ordens- bzw. Provinzgeschichte, die in nüchternen Zahlen und Daten die Historie wiedergeben, sondern werden auch die Lebensgeschichten derjenigen gesammelt und vor dem Vergessen bewahrt, deren Glaubenskraft und Heldenmut immer wieder gedacht werden soll, da ihr Beispiel in der Vergangenheit ein Vorbild für die Zukunft sein kann.
Text: Martin Kolozs
Es ist wohl das bekannteste Zitat des antiken Kirchenschriftstellers Tertullian in Bezug auf die christlichen Glaubenszeugen: „Semen est sanguis christianorum / Ein Same ist das Blut der Christen“1 – ein Samenkorn für das Wachsen ihrer Kirche, und ein Samenkorn für das Erstarken des Glaubens aller Christen, denen die Märtyrer durch ihr Zeugnis zum Vorbild und Wegweiser wurden.
Diese poetische Kurzbeschreibung trifft allerdings nicht nur auf die Blutzeugen der frühen Jahrhunderte zu, einer Epoche, in der die christlichen Gemeinden verfolgt und ihre Mitglieder zu Abertausenden ermordet wurden, sondern sie beschreibt auch mit derselben Genauigkeit die Märtyrer der jüngeren Weltgeschichte. An fünf Salvatorianer, die ihr Leben für Christi Botschaft der Nächsten- und Gottesliebe unter den Terrorregimen des Nationalsozialismus und des Kommunismus opferten, sei an dieser Stelle im Besondern erinnert: Johannes Savelsberg (1913–1939), Reinhold Unterberg (1893–1940), Titus Helde (1905–1945), Heinrich Kroder (1977–1945) und Paulus Weinschrott (1919–1960).2 In zwei aufeinanderfolgenden Teilen soll ihr Leben als Ordenspriester und Sterben als Märtyrer kurz nacherzählt werden.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Das nationalsozialistische Regime (1933–1945) hatte verschiedene Feinde ausgemacht und gnadenlos verfolgt. Neben dem Holocaust, dessen Terror sich gegen die jüdische Bevölkerung richtete, war ein anderer Hauptgegner der NS-Diktatur die römisch-katholische Kirche bzw. ihre widerständigen Vertreter, welche nicht Adolf Hitler (1889–1945) als den Führer, sondern Christus als ihren Retter folgten. Viele dieser modernen Märtyrer sind im kollektiven Bewusstsein bereits verankert, wie z. B.: Hl. Maximilian Kolbe (1893–1941), Hl. Edith Stein (1891–1942), Sel. Franz Jägerstätter (1907–1943), Sel. Maria Restituta Kafka (1894–1943). Andere jedoch sind weniger bekannt, obwohl ihr Zeugnis für den Glauben und ihr Opfertod dieselbe Kraft und Wahrhaftigkeit haben. Sie alle fanden jedoch Erwähnung im deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts und sollen an dieser Stelle vorgestellt und gewissermaßen wiederentdeckt werden.
Br. Johannes (Joseph) Savelsberg
stammte aus Aachen-Burtscheid und kam bereits früh mit den Salvatorianern in Kontakt. 1933 begann er in Steinfeld in der Eifel sein Noviziat; fünf Jahre später legte er die Ordensgelübde ab; er wurde als „schweigsam und unbekümmert, zugleich als fleißig, ‚treu wie Gold‘ und religiös engagiert bezeichnet“3. Bereits Mitte 1939 wurde er zum Militärdienst einberufen, während dessen erster Monate Br. Johannes ernsthafte Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Krieges und der zugrundeliegenden NS-Ideologie bekam – „Auf Menschen schießen kann ich nicht!“4 – und einen Fluchtversuch in Richtung Niederlande unternahm, wo er an der Grenze am 3. Dezember 1939 verhaftet, am 5. Dezember 1939 als Deserteur von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und tags darauf im Odenwald bei Moyland erschossen wurde.
Ehrenfriedhof in Donsbrüggen, Gemeinde Kleve, Deutschland, vorne der Grabstein von Josef Savelsberg
Seine sterblichen Überreste liegen heute auf der Kriegsgräberstätte Donsbrüggen-Kleve, wo Br. Johannes namentlich auf einer Gedenkplatte im Gedächtnisraum verewigt ist. Als Salvatorianer dürfen wir uns an ihn als religiösen Pazifisten erinnern, der trotz aller Versuchungen und Erschwernisse nicht von seiner tiefsten Überzeugung abließ, dass Gottes Gesetz Du sollst nicht töten keine Ausnahmen zulässt.
Grabstein von Josef Savelsberg, Ehrenfriedhof in Donsbrüggen, Gemeinde Kleve, Deutschland
P. Reinhold (Johannes) Unterberg
aus Bottrop trat 1920 als Spätberufener in die Gesellschaft des göttlichen Heilandes ein, legte 1925 seine Gelübde ab und wurde vier Jahre später in Passau zum Priester geweiht. Bis 1932 war er in der Jugendseelsorge in Klausheide und anschließend als Exerzitienmeister in Sennelager eingesetzt: „Außerordentlich segensreich war seine Tätigkeit auf diesen Gebieten. Seine Exerzitienkurse waren sehr gut besucht. Besonders die Jugend wußte er zu begeistern.“5 Dieser fruchtbare, christliche Einfluss war den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge und 1939 Anlass genug, um P. Reinhold zu verhaften: „Ich will dieses, mein Geschick, mit starker Seele tragen. Ich stelle alles Gott anheim.“
P. Reinhold Unterberg SDS
Nach Wochen im Polizeigefängnis in Bielefeld wurde er schließlich ins KZ Sachsenhausen überstellt, wo er am 23. Dezember 1939 eintraf und bis zu seinem Tod am 23. Mai 1940 blieb. Aus diesen fünf Monaten seines Martyriums ist vor allem bekannt, was Mithäftlinge über P. Reinholds Gesinnung aussagten: „Er gehörte zu jenen Häftlingen, die auch in Zeiten tiefster Erniedrigung und schwerster Bedrängnis durch ihr Verhalten bewiesen, daß sie turmhoch über jenen willfährigen Werkzeugen des Regimes standen, die sie in den Staub treten wollten.“ So beeindruckten vor allem seine priesterliche Haltung und seine innere Kraft, die er für andere aufbrachte, um sie immer wieder zur Ausdauer und zum Gebet zu ermutigen. Die genaueren Umstände seines Todes sind bis heute zwar ungeklärt, hingegen besteht aber kein Zweifel an seinem Glaubenszeugnis, wie einst der Generalsuperior der Salvatorianer, P. Bonaventura Schweizer (1893–1968), schrieb: „Ich bin überzeugt, dass P. Reinhold Johannes Unterberg als Heiliger gestorben ist.“
P. Titus (Josef) Helde
wurde in Radolfzell geboren und arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er 1926 in Steinfeld in die salvatorianische Gemeinschaft eintrat. Zwölf Jahre lang dauerte seine Ausbildung zum Ordenspriester – die Weihe empfing P. Titus am 29. Juni 1938 –, welche ihn über Lochau, Heinzendorf, Passau, Hamberg, Graz, Wien nach Mistelbach führte. In dieser Zeit hatte sich das politische Klima vollkommen verändert: Die Nationalsozialisten waren in Deutschland an die Macht gekommen und hatten Österreich annektiert; auf dem ganzen Gebiet der NS-Diktatur kam es infolge zur konsequenten wie strukturellen Unterdrückung des Klerus. Aber auch am Ende des Krieges und danach war Gewalt keine Seltenheit; im Gegenteil, die vorrückenden russischen Soldaten agierten äußerst brutal und rücksichtslos. So kam es, dass P. Titus sich am 21. April 1945 vor eine Frau mit Kind stellte, um sie vor Übergriffen zu schützen, und deswegen von einem Rotarmisten erschossen wurde.
P. Titus Helde SDS, Primizbildchen , 1938
Bald nach seiner Beerdigung hörte man bereits die Worte: „Mit gutem Recht nennen ihn die Gläubigen einen Märtyrer. Es wurde viel um ihn getrauert, viel für ihn gebetet, vielleicht noch mehr zu ihm gebetet.“
1 Apologeticum 50 (Übersetzung von Dr. K. A. Heinrich Kellner; vgl. Bibl. d. Kirchenväter, 1. Reihe, Bd. 24, 1915)
2 Vgl. Nekrologe der deutschen und österreichischen Provinz; (1) asa-04.1.4.1b; (2) asa-04.1.4/g; Anmerkung: Heinrich Kroder trat 1909 aus der SDS aus; vgl. Catalogus Generalis SDS vom 15.5.2023
3 Moll, Zeugen für Christus, Bd. II, S. 1031
4 Ebd., S. 1032
5 Ebd., S. 1034
Was ist ein Märtyrer?
Als Märtyrer oder Blutzeuge werden Menschen anerkannt und bezeichnet, deren Leidensweg drei theologisch-kanonische Kriterien erfüllt: die Tatsache des gewaltsamen Todes (= Martyrium Materialiter), das Motiv des Glaubens- und Kirchenhasses bei den Verfolgern (= Martyrium Formaliter Ex Parte Tyranni), die bewusste innere Annahme des Willens Gottes trotz Lebensbedrohung (= Martyrium Formaliter Ex Parte Victimae).
Zur Person des Autors Martin Kolozs
Nach meinem Umzug von Innsbruck nach Wien (Ende 2010) suchte ich Anschluss an eine Pfarrgemeinde und wurde in St. Michael und infolgedessen bei den Salvatorianern fündig. Zuerst wurde ich Messebesucher, dann Aushilfe in der Sakristei bzw. Gelegenheits-Ministrant und schließlich Mitarbeiter im Provinzarchiv, wo ich mich vor allem und gerne mit der Ordensgeschichte beschäftige. Persönlicher Höhepunkt meiner Woche sind die Laudes, welche ich an jedem Mittwoch im Kolleg besuchen darf; sie sind zu meinem Anker im Alltag geworden.
Bildnachweis
- Bild 1: Die Dornenkrone als Symbol des Martyriums im Namen Christi. www.unionguanajuato.mx [6.3.2024]
- Bild 2+3: Johan Moris, 1997
- Bild 4: Provinzarchiv der Salvatorianer, München
- Bild 5: Provinzarchiv der Salvatorianer, Wien
Literatur
- Kolozs, Passini, van Meijl SDS (Hrsg.), Erweckte Begeisterung. 100 Jahre österreichische Provinz der Salvatorianer (1923 – 2023), Wagner Verlag, Linz 2023; S. 255-261, S. 327-335
- Moll, Helmut (Hrsg.), Zeugen für Christus – das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, Bd. II, Paderborn 2015 (6., erweiterte und neu strukturierte Auflage); S. 1030-1036, S. 1199 ff, S. 1228 ff, S. 1378-1382
- Overmann, Michael SDS, Trotzdem … das Leben des P. Reinhold Unterberg SDS, München 2012
- van Meijl, Peter SDS, Erzähl mir die Geschichte von Pater Titus Helde SDS, Wien 2011
Dieser Artikel ist veröffentlicht in: die Salvatorianer, 1-2024, S. 16–17