Erste Schritte in fremden Landen
In den Reigen der salvatorianischen Gedenk- und Jubeltage reiht sich heuer das 130-jährige Bestehen der „Gesellschaft des göttlichen Heilandes“ in Österreich ein, der ersten Gründung außerhalb von Italien
Text: Martin Kolozs
Knapp ein Jahrzehnt nach Gründung der „Gesellschaft des göttlichen Heilandes“ durch den seligen Pater Franziskus Jordan (1848–1918) kamen die ersten Salvatorianer in die kaiserlich-österreichische Reichshaupt- und Residenzstadt Wien: Sie begannen „ihre Tätigkeit mit Erteilung des Religionsunterrichtes in den Volksschulen“ und übernahmen aushilfsweise die seelsorgerische Amtstätigkeit für den hiesigen Weltklerus. „Mit der Zeit erstreckte sich diese Aufgabe auch auf Aushilfe in Klöstern, Erziehungshäusern, Kranken- und Gefangenenhäusern. Es genügten dann nicht die Sonntage, es mußten auch die Stunden, die an Wochentagen vom Religionsunterricht frei blieben, einbezogen werden. Eine besondere Tätigkeit erwuchs mit der Zeit den Patres in den katholischen Vereinen“, wo sie den damals aufkommenden Liberalismus entgegenzuwirken versuchten.1
Damit war ein lang gehegter Wunsch des Ordensgründers in Erfüllung gegangen, welcher bereits 1878 – vor seiner Priesterweihe, am 11. Juli desselben Jahres – Wien als einen geeigneten Ort für sein beginnendes Werk in Betracht gezogen hatte, weil, anders als in seinem Heimatland Deutschland, hier katholische Kräfte in der Regierung waren und der Kulturkampf die Gesellschaft noch nicht völlig im Griff hatte.2
Trotzdem waren die Anfänge in Österreich nicht einfach; die Salvatorianer Pater Leo Žižka (geb. 1864), Pater Cajetanus Hinterberger (geb. 1862) und der Laienbruder Vitus Vilser (geb. 1861), welche von Pater Jordan persönlich als Pioniere nach Wien entsandt worden waren, hatten mit großen Herausforderungen zu kämpfen, sowohl internen (vgl. Wiener Kleidungsfrage)3 als auch externen: „Die Großstadt gleicht einem gewaltigen Binnenmeer mit Ebbe und Flut. Da wogt es beständig auf und nieder, hin und her. Und was an den verborgenen Riffen zerschellt, das wird ans Ufer getrieben. An der Peripherie der Großstadt setzt sich ab, was auf hoher See Schiffbruch litt.“4 Nur allmählich veränderte sich die Situation zum Erträglichen und konnten die leidgeprüften Mitbrüder zuerst in Wien und dann in ganz Österreich Fuß fassen: „Wenn man die erste Zeit der Salvatorianer in Österreich betrachtet, so war sie durch einen sehr mühevollen und bescheidenen Anfang gekennzeichnet. Es sind aber schon sehr wertvolle und wichtige Grundlagen für eine Weiterentwicklung gelegt, wenn auch die Gesellschaft [des göttlichen Heilandes] vorerst einige harte Lernprozesse durchmachen mußte.“5
Ausschnitt eines Gemäldes aus dem Salvatorianerkolleg Wien X, Foto: P. Peter van Meijl SDS, 10/2022
Nach dem schwierigen Beginn (1892) in Favoriten, dem zehnten Wiener Gemeindebezirk, welcher im Allgemeinen kein Ansehen genoss und mit großer Armut und eklatantem Bildungsnotstand zu kämpfen hatte, begann sich die noch junge Ordensgemeinschaft zuerst innerhalb von Wien und schließlich über die Stadt- bzw. Landesgrenzen hinaus zu verbreiten, u. a.: Lochau (1893), Wien-Kaisermühlen (1895), Hamberg (1900), Wien-St. Michael (1923), Wien-Mariahilf (1923), Mistelbach (1923), Margarethen am Moos (1923), Graz-Lindweg (1928), Gurk (1932), Graz-Salvator (1967), Braunau (1982). Vorläufiger Höhepunkt dieser salvatorianischen Aufbauarbeit war die Gründung der österreichischen Provinz 1923, welcher wir im nächsten Jahr würdig und im großen Rahmen gedenken.
1 Muth, Salvatorianer, S. 120 f.
2 Vgl. Exiller, Geschichte, S. 3 f.
3 Vgl. van Meijl, Die Apostolische Visitation im Institut P. Jordans (1894–1913), DSS XX.I, Rom 1993, S. 569–610
4 van Meijl, Peripherie, S. 39 (Zitat von Pater Gregor Gasser SDS, 1868–1913)
5 Exiller, Geschichte, S. 9
Bildnachweis
1. Annales Societatis Divini Salvatoris, Vol. III, Nr. 4, Rom, 31.12.1931, S. 160
2. Ausschnitt eines Gemäldes aus dem Salvatorianerkolleg Wien X, Foto: P. Peter van Meijl SDS, 10/2022
Literatur
P. Theophilus Muth SDS, Die Salvatorianer. Gedenkblätter zu ihrem fünfzigjährigen Bestand. 1881–1931, Wien 1931
P. Anton Kiebele SDS, Aufriss der Geschichte der SDS, Passau 1970 (Typoskript)
Fr. Franz Exiller SDS, Die Geschichte der Salvatorianer (Gesellschaft des Göttlichen Heilandes) in Österreich von ihren Anfängen bis zum Jahre 1938, Graz 1984 (Diplomarbeit)
P. Peter van Meijl SDS, An der Peripherie der Großstadt. Die Gestalt Pater Jordans und die Anfänge der Salvatorianer in Wien (1892), Wien 2002
P. Peter van Meijl SDS, „Geht an die Grenzen“. Wie die Salvatorianer im Jahre 1923 von der Peripherie in das Zentrum Wiens kamen, Wien 2015
Dieser Artikel ist veröffentlicht in: die Salvatorianer, 2-2022, S. 10–11