Ein geschichtsträchtiges Haus
Die Salvatorianer nahmen im Jänner 2022 vom Kolleg mit seiner
abwechslungsreichen Geschichte Abschied.
Text: Robert Passini
Wer in Vorarlberg nahe des Bodensees zwischen Bregenz und Lindau die Hörbranzer Straße entlangfährt, sieht ein markantes Gebäude, das mit seinen zwei romanischen Ecktürmen und dem Hauptturm mit Pyramidendächern hervorsticht. Dieser denkmalgeschützte Bau ist das sogenannte „Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz“, und nach über 128 Jahren verabschiedeten sich die Salvatorianer von hier mit einem Gottesdienst am 8.1.2022. Beim Anblick dieses typisch römischen Klosterbaues wird das Interesse an dessen Geschichte geweckt, die so wechselhaft ist wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts selbst. Einige Höhepunkte daraus seien hier erzählt.
Der Beginn
Zweck für diese Niederlassung war die Ausbildung junger Menschen für den Ordensnachwuchs. P. Jordan selbst konnte 1893 drei Grundstücke samt Bauernhaus erwerben und sicherte so auf österreichischem Boden unweit der deutschen Grenze – sich in Deutschland niederzulassen, war der jungen Ordensgemeinschaft untersagt – die Grundlage eines künftigen Studienhauses für Schüler aus Deutschland. Bisher war der Nachwuchs in Rom ausgebildet worden, was aber wegen des Klimas und der verschiedenen Nationalitäten und Charaktere der Schüler Probleme bereitete.
In dieses neu erworbene Bauernhaus in Hörbranz zogen zwei Patres und ein Bruder ein. So wurde am 15.9.1893 das „Marienkolleg bei Bregenz“, wie es zunächst hieß, gegründet. Über ein Jahr lang dauerten die Bemühungen um die staatliche Genehmigung zur Errichtung einer Studienanstalt, unter anderem wegen des italienisch ausgerichteten Schulplanes der Gesellschaft, der sich von den österreichischen Gesetzen unterschied. Mit sechs Schülern wurde die Kollegsschule am 9.11.1896 eröffnet.
Durch die große Nachfrage und Anerkennung der Schule wuchs auch die Schülerzahl, und ein Weiterbau des Gebäudes wurde nötig. Im Oktober 1905 wurde ein Neubau im Stil des Historismus fertig gestellt. In den darauffolgenden Jahren vergrößerten sich Kommunität und Schule. Anfang 1912 wohnten 15 Patres, 8 Brüder, 4 Brüderkandidaten und 60 Schüler im Kolleg.
Der Erste Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges wurden Patres und Brüder zum Militärdienst einberufen, und die Militärbehörde besetzte das Haus. Am 6.5.1916 waren ca. 200 Soldaten mit einer ansteckenden Bindehautentzündung einquartiert. Da diese Krankheit für Schüler und Nachbarn zu gefährlich war, wurden die Kranken bald wieder verlegt. Ihnen folgten während der Kriegsmonate Juli und August 1916 400 Verwundete. Als Pflegerinnen wohnten Ordensschwestern der „Töchter der Göttlichen Liebe“ im Haus, was die Salvatorianer dazu inspirierte, Schwestern des eigenen Ordens in die Hausgemeinschaft aufzunehmen. Seit November 1916 wirkten Salvatorianerinnen aus Wien im Kolleg Lochau.
Neben der Lebensmittelknappheit nach dem Krieg bereitete die Inflation Sorge, doch die Schule blieb erhalten und blühte auf. Im August 1919 wurde der österreichische Lehrplan eingeführt, was zur Folge hatte, dass die aus Deutschland stammenden Schüler ihre Maturaprüfung in Österreich absolvieren konnten und dadurch die Schülerzahl rasant anstieg. Der Personalstand am 1.12.1921: 17 Patres, 14 Brüder, 2 Brüderkandidaten, 10 Schwestern und 132 Schüler, eine Summe von 175 Personen. Ab 1928 erhielt die Schule das Abiturrecht, und bis inklusive 1938 legten die Schüler die Maturaprüfungen im Haus ab.
Der Zweite Weltkrieg
Im September 1938 verloren alle Privatschulen Österreichs das Öffentlichkeitsrecht. Im Kolleg wurden nur mehr drei Klassen unterrichtet. Einen Monat später jedoch sollte das Kolleg beschlagnahmt und verkauft werden. Die Schüler wurden in ein staatliches Internat in Mehrerau gebracht. Einige Eltern protestierten und holten ihre Kinder nach Hause, andere Schüler flohen aus Mehrerau, zogen nach Lindau und besuchten das dortige Gymnasium. Der drohende Verkauf des Hauses und weitere Pläne waren mit einem Male nichtig, als die deutsche Wehrmacht eine Rekrutenschule für 400 Männer im Kolleg einrichtete. So hatten die staatlichen und parteiamtlichen Stellen keinen Zugriff mehr, und das Haus blieb im Besitz der Salvatorianer.
Von Mai bis September 1945 bevölkerten französische Pioniere mit schweren Armeelastwagen, eine Kompanie Infanterie, beinahe 1000 russische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sowie 100 Marokkaner mit 30 Mauleseln das Haus. Diebstähle und Verwüstungen waren die Folge dieser Nachkriegsmonate. Erst am 17.9.1945 war das Kolleg Lochau-Hörbranz als erstes Kloster von Bregenz und Umgebung wieder frei.
Da das Kolleg nun politisch von Deutschland abgetrennt war, konnten die Salvatorianer die Ordensschule für deutsche Schüler nicht wieder errichten. Daher kamen sie der dringenden Notwendigkeit eines Wohnheimes für Schüler verschiedener benachbarter Schulen nach (Gymnasium, Gewerbe-, Hauptschule).
Österreichisches Studentat
Da das Studienhaus Lochau-Hörbranz der deutschen Provinz angehörte, war in Graz 1928 ein eigenes für österreichische Schüler errichtet worden. Dieses war nach dem Zweiten Weltkrieg vermietet. Deshalb wurde im September 1946 im Kolleg Lochau ein Studentat für den österreichischen Nachwuchs der Salvatorianer eröffnet, das 13 Jahre lang bestand.
1953 kam es in Lochau zur Wiedereröffnung des deutschen Studentats. Die Zahl der Schüler stieg, weswegen sie zum Teil in Lindau untergebracht werden mussten. Nicht alle Schüler waren für das Gymnasium geeignet, daher wurde 1973 beschlossen, die Kollegsschule nur mehr als Orientierungshilfe für Gymnasium und Realschule zu führen. 1977 wurde der Schulbetrieb im Kolleg Lochau-Hörbranz gänzlich beendet, da die Salvatorianer mit dem deutschen Internat in Bad Wurzach auskamen.
Die Hausgemeinschaft konzentrierte sich in den folgenden 44 Jahren weiterhin auf die Seelsorge zahlreicher Pfarren der Umgebung mit Wirkungsraum auf vier Diözesen, stellten Räumlichkeiten für die Pfarre Lochau zur Verfügung, betrieben ein Internat für die Gastgewerbeschule Schloss Hofen, hielten Einkehr- und Besinnungstage für Jugendliche, boten Exerzitien und geistliche Begleitung an und beherbergten Jugendgruppen.
Fazit
Über das Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz könnte noch viel mehr geschrieben werden. Zum Beispiel fanden regelmäßige Theateraufführungen der Schüler im Haus statt, und es gab eine eigene Landwirtschaft, Bäckerei, Tischlerei und Gärtnerei, die von den Ordensbrüdern geleitet wurden. Auch der Portierdienst oblag den Brüdern, der den täglichen Weg zur Post, den Empfang und Verköstigung von Besuchern, Verantwortung für Heizung und Kohle sowie Ab- und Anmeldungen beim Amt beinhaltete. 1912 wurde sogar ein eigenes Brüdernoviziat errichtet.
Drei Salvatorianer zogen 1893 in das damalige Bauernhaus ein und gründeten die erste Kommunität in Lochau-Hörbranz. Drei Salvatorianer nahmen im Jänner 2022 vom Kolleg mit seiner abwechslungsreichen Geschichte Abschied. Was bleibt, ist die Erinnerung an 128 Jahre Gastfreundschaft, gute Nachbarschaft, Hilfsbereitschaft und vor allem bis zuletzt die Hingabe und Fürsorge für Kinder und Jugendliche.
Bildnachweis
(c) Boehringer Friedrich, regiowiki.at
Literatur
P. Dr. Damascen Österreich SDS, Das Studienhaus der PP. Salvatorianer in Lochau am Bodensee, Lochau 1951
P. Hermann Würtenberger SDS, 80 Jahre Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz. Ein geschichtlicher Rückblick, Hörbranz 1973
Salvatorkolleg Lochau [Hrsg.], 100 Jahre Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz, Lochau 1993
Dieser Artikel ist veröffentlicht in: die Salvatorianer, 1-2022, S. 14–15