P. Waldemar Posch
Der Salvatorianerpater Waldemar Posch (1911-1992) findet einen Weg zur Bewältigung und allmählichen Aufarbeitung der körperlich wie seelisch so verzerrenden und traumatisierenden Kriegsjahren: Er schreibt das Erlebte in einem Kriegstagebuch nieder und bewahrt es damit für die Nachwelt. Parallel dazu betätigt er sich fotografisch (an der Front), zeichnerisch und malerisch.
Text: Mag.a Doris Fries, Robert Passini
P. Waldemar Posch, Russische Impression – Flucht, o. D. (1950er-Jahre?), 42,5 x 30,5 cm
Ein schier endloser Zug an Menschen, der sich durch die Weite der verschneiten Landschaft schlängelt. An dessen Spitze: ein alter Mann am Stock in der Uniform und Pelzmütze eines Kosaken. An seiner Seite führt er eine junge Frau, hinter ihr gehen ihre beiden Kinder. Dargestellt sind offenbar Vater, dessen Tochter und Enkelkinder. Weiteres zu erkennen: eine junge Mutter, die ihr Wickelkind im Arm hält und schützend an sich drückt, dahinter: eine hochschwangere Frau, die sich schmerzerfüllt ihren Bauch hält, begleitet von einem greisen Mann. Alle führen sie ihre notwendigsten Habseligkeiten in Stoffbündeln und Körben auf den Rücken geschnallt oder in einem ausgedienten Kinderwagen neben sich her. Den Protagonisten ist das Entsetzen und die (Todes-)Angst deutlich ins Gesicht geschrieben.
Es bedarf keiner großen Anstrengung, diese Szene vor dem Hintergrund kriegerischer Handlungen zu sehen: die Rauchschwaden im Bildhintergrund erzählen von dem zerstörten Dorf, das zum Ausgangspunkt der Flucht wird. Im Schlamm kriechende Verwundete und Leichname umgekommener Zivilisten und gefallener Soldaten säumen den Weg. Ein einfaches Holzkreuz markiert ein rasch errichtetes Massengrab. Ein geradezu infernalisches Szenario, das der Salvatorianerpater Waldemar Posch mit handwerklicher Sicherheit zu Papier gebracht hat. Die bis an die Spitze getriebene Dynamik der Darstellung und der Impetus des schnellen Striches verraten die innere Aufgewühltheit des Zeichners.
Über die Hintergründe, die zur Entstehung der Zeichnung geführt haben, gibt Poschs Lebenslauf Aufschluss:
Der 1911 in Wien als Otto Posch Geborene tritt im Jahre 1932 in das Noviziat bei den Salvatorianern in Heinzendorf (ehemals Schlesien) ein und wird 1938 in Graz zum Priester geweiht. Nur zwei Jahre später, 1940, wird der Jungpriester bereits zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und einer Sanitätskompanie zugeteilt. Als Sanitäter ist er für die Verarztung und Pflege Verwundeter und Kranker zuständig. Als Frontpriester obliegen ihm die Feier der Liturgie und die Beerdigung der Gefallenen. Gemeinsam mit seiner Kompanie führt es ihn an Kriegsschauplätze am Balkan und bis nach Russland, wo er hautnah die Tragik der Schlacht um Stalingrad erlebt. Im Jahr 1944 gerät er auf Seiten der Kriegsverlierer in amerikanische Gefangenschaft und wird abermals zum Lagerpfarrer und Gefangenseelsorger bestellt. Seine Aufgabe ist es, das Leid und die Hoffnungslosigkeit der Inhaftierten zu lindern: „Sie seien nicht so gottverlassen, wie sie glauben, sie werden vielmehr von Gott geläutert und so für [eine] neue Sendung in dieser Welt vorbereitet“, versucht er sie zu beruhigen. „Auf einer Holzkiste stehend, suchten wir durch die Predigt einzubrechen in die Dunkelheit der Seelen, um sie der Erstarrung zu entreißen“1, berichtet er.
In diesen körperlich wie seelisch so verzerrenden und traumatisierenden Kriegsjahren und vor allem in der Zeit danach findet Pater Waldemar für sich einen Weg zur Bewältigung und allmählichen Aufarbeitung des Erlebten: Er schreibt es in einem Kriegstagebuch nieder und bewahrt es damit für die Nachwelt. Parallel dazu betätigt er sich fotografisch (an der Front), zeichnerisch und malerisch. Das Ergebnis ist eine umfassende Bilddokumentation in Form von Fotoalben, Zeichen- und Skizzenbüchern, Blättern und Tafelbildern.
Vor allem aber ist es sein tiefer Glaube, der Pater Waldemar in dieser Zeit trägt und ihn schier Übermenschliches leisten lässt. So meint er 1984 resümierend: „Wenn ich heute über diesen Zeitabschnitt in meinem Leben nachdenke, dann glaube ich, es wurde damals auf höhere Veranlassung in die Tat umgesetzt, was ich 1938 als Motto für mein Primizbildchen wählte: ‘Er hat mich gesalbt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. (Lk 4,18)‘.“2
Das erwähnte Schriftgut sowie die Bildersammlung Pater Waldemars werden im Rahmen seines Nachlasses im Österreichischen Provinzarchiv der Salvatorianer im Kolleg St. Michael in Wien 1 aufbewahrt, für dessen Betreuung ab 1979 bis zu dessen Tod Pater Waldemar selbst zuständig war: Mit der Erstinventarisierung der vorhandenen Archivbestände schuf er die Grundlage für deren weitere Erschließung, mit der wir seit 2008 betraut sind.
P. Waldemar Posch, 1962
1 Waldemar Posch, Als Seelsorger in der amerikanischen Gefangenschaft zu Bolbec, in: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte, 25. Jg. Nr. 1, Wien 1984, S. 137.
2 Ders., S. 138.
Bildinformation
- P. Waldemar Posch, Russische Impression – Flucht, o. D. (1950er-Jahre?), 42,5 x 30,5 cm
- P. Waldemar Posch bei seiner Primiz 1938
- P. Waldemar Posch, 1962
Bildnachweis
Archiv der österreichischen Pro-Provinz der Salvatorianer (asa), Nachlass P. Waldemar Posch SDS
Dieser Artikel ist veröffentlicht in: SDS-Mitteilungen, 2015-1