Br. Symphorian Haas
Im Nekrolog der österreichischen Salvatorianer ist am 12. Dezember über Br. Symphorian Haas zu lesen: „Seine Obern sandten ihn […] in die Heiden mission Assam in Indien, wo er sich durch Fleiß und Geschicklichkeit beim Bau von Missionsstationen und Kirchen sehr verdient machte.“1 Was bedeutete es, Ende 1907 als Salvatorianerbruder in eine Missionsstation gesandt zu werden und im Ersten Weltkrieg als „feindlicher“ Deutscher im englischen Hoheitsgebiet Indien zu leben und zu arbeiten?
Text: Robert Passini
„Ein Bruder ist so notwendig, wie das tägliche Brot“2, schrieb 1896 P. Angelus Münzloher, der zusammen mit P. Otto Hopfenmüller 1890 von P. Jordan nach Assam geschickt worden war, um dort den katholischen Glauben zu verbreiten. Die Patres, Brüder und Schwestern wirkten in den kommenden 25 Jahren durch Seelsorge, Herausgabe religiöser Literatur und Lieder in der Landessprache Khasi, Bekämpfung von Armut und durch den Bau von Kirchen, Kapellen, Schulen und Waisenhäusern.
Ordensbrüder waren handwerklich geschulte Lehrmeister und von Anfang an von größter Notwendigkeit: „Ich kann nur Brüder brauchen, die geschickt sind, die Landessprache zu lernen, besonders jetzt Einen, der etwa einem Waisenhaus vorstehen kann“, so der Missionssuperior. „Ein Schuhmacher, der auch geistig fähig ist, könnte die Waisenknaben ein Handwerk unterrichten.“3 Doch nicht jeder war geeignet für das heiße Klima und die hohe Luftfeuchtigkeit in Indien. Bis 1898 arbeiteten fünf Brüder in Assam. Einer verstarb, vier weitere verließen die Missionsstationen. Danach wurden Jahre lang keine Brüder nach Assam geschickt.
Ausgebildet, gesandt
Umso größer war die Begeisterung, als Ende 1907 drei Brüder nach Assam kamen. P. Jordan freute sich, „daß nun die Zeit gekommen sei, in welcher durch die Entsendung handwerkskundiger Brüder ein neuer Zweig des Missionswerkes in Angriff genommen werden soll, nämlich derjenige der Handwerkerschulen.“4 Über die Arbeit der neu gesandten Brüder steht im Jahresbericht von 1912: „Einer widmete seine ganze Kraft und Kunst […] dem Heiligtum, um für die neue Salvatorkirche einen entsprechenden Altar zu schaffen. Ein anderer ist ein vielgesuchter Zahndoktor. [Es] sucht gelegentlich so mancher das kleine Zahnatelier des Bruders auf, vom Gouverneur der Provinz an bis hinab zur armen Khasi-Frau. […] Den dritten Bruder nahmen […] die verschiedenen Bauarbeiten ganz in Anspruch. Die Brüder sind eine große Wohltat.“5 Der dritte dieser Brüder war Symphorian Haas.
Paul Haas (später Br. Symphorian),
1902 vor seinem Eintritt
in die Ordensgemeinschaft.
Gefangen, deportiert
Sieben Jahre nach Br. Haas‘ Ankunft brach der Erste Weltkrieg aus. Da Indien englisches Hoheitsgebiet war, wurden die im Land lebenden Deutschen ausgewiesen oder gefangen genommen. „Man ließ die Missionäre noch auf ihren Stationen, obgleich die meisten Deutschen sonst schon in einem der Gefangenenlager zu Ahmednagar interniert waren“6. Neben Salvatorianern wirkten auch Kapuziner, Jesuiten, Franziskaner sowie Protestanten in Indien. Sie standen unter ständiger Beobachtung des britischen Militärs. Strenge Bewachung, Verbote, Zensur im Briefverkehr und Einschränkung in der Arbeit wurden Alltag.
Der Apostolische Präfekt P. Christophorus Becker schrieb enttäuscht: „All die treue langjährige Arbeit der Mission im Dienste des Landes schien für nichts mehr zu gelten. Man war nur noch der feindliche Untertan, der vielleicht dazu seit Jahren nur als Spion für Deutschland gearbeitet hatte.“7
Inneres der Salvatorkirche in Shillong, Indien, die 1913 eingeweiht wurde
Ein Jahr darauf trat ca. 8.000 km entfernt, vor der Südküste Irlands, ein Ereignis ein, das direkte Folgen für die Missionare in Indien hatte. Am 7.5.1915 wurde das britische Passagierschiff RMS Lusitania von einem deutschen U-Boot versenkt. Fast 2.000 Menschen starben dabei. Sofort wurden nun auch die deutschen Missionare ins Gefangenenlager Ahmednagar überstellt. P. Beckers Beschreibung des Lagers: Hier „würde ein Engländer nicht einmal seine Pferde unterbringen.“8
Militärpflichtig, abgeschoben
Zehn Monate später, am 27.3.1916, wurden die Patres mit dem englischen Frachtschiff Golconda auf eine lange Heimreise geschickt. Die fünf Brüder jedoch mussten in Ahmednagar bleiben. „Man lässt sie nicht frei, da sie von den Engländern als militärpflichtig betrachtet werden.“9 Erst nach fünf Jahren Gefangenschaft und zwei Jahre nach Kriegsende wurden auch die Brüder nach Europa ausgewiesen.
Das Schiff musste wegen Ausbruch der Grippe in Port Said, Ägypten, anlegen. Die Kranken und wegen Überfüllung auch weitere Gefangene wurden an Land in Zelten untergebracht. Insgesamt strandeten über 800 Deutsche zehn Wochen lang in Port Said, darunter auch Br. Symphorian. Er kam erst am 21.4.1920, als letzter Missionsbruder, in Hamburg an.
Seine Freude über das Ende der langen Qualen formulierte er in einem euphorischen Brief an P. Pankratius Pfeiffer: „Die Kreuz u. Leiden der Gefangenschaft sind vergessen, u. Gott sei Lob u. Dank für die glückliche Heimkehr“10.
Br. Symphorian Haas, 1932/33 in Graz
1 NE, S. 174
2 P. A. Münzloher an P. B. Lüthen, 2.11.1896, in AGS, M1-11.1.1., S.1081-1086
3 P. O. Hopfenmüller an P. F. Jordan, 22.7.1890, in AGS, M1-11.1.1., S. 35-38
4 SM, S. 19
5 MI 33, S. 58
6-9 MI 36, S. 250 ff.
10 Br. S. Haas an P. P. Pfeiffer, 1.5.1920 in Personalakt Haas, AGS, 10, S. 23, Kopie in asa
Bildinformation
- Paul Haas (später Br. Symphorian), 1902 vor seinem Eintritt in die Ordensgemeinschaft.
- Inneres der Salvatorkirche in Shillong, Indien, die 1913 eingeweiht wurde
- Br. Symphorian Haas, 1932/33 in Graz
Bildnachweis
- Archiv der österreichischen Pro-Provinz der Salvatorianer (asa), Personalakt
- Gesellschaft des Göttlichen Heilandes (Hrsg.), Der Missionär, Illustrierte Monatshefte fürs christliche Haus, 34. Jhg., 1914, S. 93
- Annales SDS, Vol. III, Nr. 5, Rom, 31.12.1932
Literatur
- Nekrolog der österreichischen Pro-Provinz, Wien 2015 [NE]
- Forum SDS 25 (1990), Nr. 1 [FO]
- Salvatorianische Mitteilungen 9 (1908) [SM]
- Der Missionär, 33 (1913) und 36 (1916) [MI]
Weiterführende Literatur
- P. Christophorus Becker S.D.S., Im Stromtal des Brahmaputra, 2. Auflage, Aachen 1927
- P. Joseph Brauchle SDS (Hrsg.), Mission Assam, I und II, München 1986
Dieser Artikel ist veröffentlicht in: die Salvatorianer, 1-2018, S. 16-17