Katharina Beclin: Die Dunkelziffer bei Menschenhandel ist sehr hoch
"Der Begriff 'Menschenhandel' ist sehr weitreichend und umfasst zum Beispiel auch Arbeitsausbeutung", antwortete Katharina Beclin, Expertin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien, auf die Frage, welche Bandbreite "Menschenhandel" beinhalte. "Ich brauche nicht mal Gewalt oder gefährliche Drohung, damit ich dieses Delikt verwirklichen kann", so Beclin, "es reicht schon ein sogenanntes unlauteres Mittel, das kann zum Beispiel eine Täuschung oder das Ausnützen eine Zwangslage sein."
Opfer erhalten zu wenig Schutz
Sind Opfer von Menschenhandel in Österreich ausreichend geschützt? "Theoretisch ja", sagte Katharina Beclin im ORF-Interview. "In der Praxis kommt dieser Schutz leider nur einer kleinen Zahl zugute, eben denen, die polizeilich als Opfer registriert werden." Laut Innenministerium wurden im vergangenen Jahr 104 Fälle an Menschenhandel verzeichnet. Doch das sei laut der Strafrechtsexpertin nur die Spitze des Eisbergs; die Dunkelziffer läge weitaus höher. "Wenn ein Opfer entdeckt wird, dass sich nicht traut, auszusagen, ist es in vielen Fällen so, dass es nicht die Schutzmaßnahme bekommt, die eigentlich vorgesehen werden, obwohl Österreich die Europaratskonvention zum Schutz der Opfer von Menschenhandel unterzeichnet hat." Das Problem ist, dass viele Betroffenen sich selbst nicht als Opfer empfinden oder daher auch nicht Anzeige erstatten. Dazu käme, dass nur die Delikte an die Öffentlichkeit gelangen, wonach man gesucht hat. Im Bereich der Sexarbeit werde mehr kontrolliert und daher werden auch mehr Fälle entdeckt als beispielsweise Ausbeutungsfälle in der Haushaltshilfe oder bei Arbeitsplätzen.
Hilfsorganisationen für Opfer
"Es gibt zum Glück Opferhilfeeinrichtungen, an die sich die Opfer wenden können, wenn sie nicht Anzeige erstatten möchten", betont die Strafrechtsexpertin, gibt aber zu bedenken: "Dazu müssten sie aber erst über diese Möglichkeit Bescheid wissen, aber das ist naturgemäß auch nicht häufig garantiert."
Ihr Rat, wenn man selbst ein Fall von Ausbeutung entdeckt: "Wenn nicht unmittelbar körperliche oder Lebensgefahr besteht für die Betroffenen, wäre es gut, mit den Betroffenen das Gespräch zu suchen. Wenn das nicht möglich ist, wäre es gut, sich an eine Hilfseinrichtung zu wenden." Nicht immer sei es ratsam, sich gleich an die Polizei zu wenden: "Viele Opfer wollen nicht aussagen, und wenn sie dann überrumpelt werden von dem polizeilichen Einschreiten, dann streiten sie meistens den Kontext ab und versuchen das Ganze herunterzuspielen, harmlos darzustellen, weil sie ja in der Regel Angst haben, entweder den Job zu verlieren - das ist das Problem, dass viele keine Alternative haben zu dem ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen - oder gar Angst vor Vergeltung haben seitens der Täter:innen."
Papst Franziskus: Menschenhandel ist "tiefe Wunde"
Bei seinem Mittagsgebet auf dem Petersplatz prangerte auch Papst Franziskus das Thema Menschenhandel. "Menschenhandel ist eine tiefe Wunde in der Menschlichkeit der Opfer und der Täter. Wir müssen unsere Kräfte zusammenlegen, um die Opfer zu befreien und dieses Verbrechen zu stoppen, das der Menschheit in ihrer Gesamtheit großen Schaden zufügt", so der Papst wörtlich.
Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel
Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel hat sich am 21. Jänner 2015 konstituiert und dient der Vernetzung, dem Informationsaustausch und dem gemeinsamen Erarbeiten von Vorschlägen zur Prävention von Menschenhandel und zur Unterstützung Betroffener bzw. Opfer. Für dieses Ziel wirken in der Plattform zahlreiche nichtstaatliche Organisationen sowie eine zwischenstaatliche Organisation und engagierte Einzelpersonen zusammen, um Bildungsarbeit und andere bewusstseinsbildende Maßnahmen zu fördern und einschlägige politische Initiativen anzustoßen bzw. zu unterstützen.
Gründungsmitglied waren u.a. auch die Salvatorianer. Als Koordinatorin der Plattform wurde Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Katharina Beclin, Assistenzprofessorin für Kriminologie an der Universität Wien, bestellt, als stellvertretender Koordinator Mag. Lukas Korosec, Missionsprokurator der Salvatorianer. Mag.a Caroline Sanders, von Herzwerk , einer Initiative der Diakonie, fungiert als Assistentin und Schriftführerin der Plattform.
Internationale Tag gegen Menschenhandel
Der 30. Juli ist der Internationale Tag gegen Menschenhandel, der jährlich von der Vereinten Nationen (UN) veranstaltet wird. Der Tag wurde im Jahr 2013 eingeführt, um die globale Aufmerksamkeit auf das Thema Menschenhandel zu lenken und die Menschen aufzufordern, sich gegen diese schreckliche Praxis zu engagieren. Menschenhandel ist eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, die jedes Jahr Millionen Menschen auf der ganzen Welt betrifft. Es ist eine Form der Sklaverei, die auf der Ausbeutung von Menschen basiert, die in die Prostitution, den illegalen Handel mit Organen, die Zwangsarbeit und andere Formen der Ausbeutung gezwungen werden. Der Internationale Tag gegen Menschenhandel ist ein Tag des Gedenkens an die Opfer und ein Tag der Solidarität mit denen, die sich für die Bekämpfung von Menschenhandel einsetzen. Er dient auch dazu, die Menschen dazu zu ermutigen, sich aktiv gegen Menschenhandel einzusetzen.
Weiterführende Links:
Das Interview mit Katharina Beclin in der TVThek des Orf:
Strafrechtsexpertin zum Thema Menschenhandel - ZIB 3 vom 28.07.2023 um 23:47 Uhr – ORF-TVthek
Papst Franziskus zum 30. Juli: Papst prangert Menschenhandel an - Vatican News
Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel (gegenmenschenhandel.at)
Solidarity with women in distress - SOLWODI Österreich – Solidarität mit Frauen in Not