Podcast Nr. 06: Matthias Fuchs: Die Geschichte der Salvatorianer in der NS-Zeit ist historisches Neuland
„Die Redaktion wollte ausdrücklich jemanden haben, der von außen auf diesen Teil der Ordensgeschichte schaut“, erinnert sich Matthias Fuchs. „Und ich habe versucht, möglichst unbefangen an die Aufgabe heranzugehen. Ich war sehr kritisch, und das ist von der Redaktion eindeutig begrüßt worden.“
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Historisches Neuland
Der Journalist und Historiker mit dem Schwerpunkt Zeitgeschichte hatte sich schon in seiner Masterarbeit mit Verfolgungsmaßnahmen des Nationalsozialisten Regimes beschäftigt, deshalb nahm er das Angebot, in den Archiven der Salvatorianer zu graben, gerne an. „Im Archiv liegen viele Akten, Rundschreiben, Pfarrchroniken, Tagebücher, die wenig oder teilweise noch nie angeschaut wurden, schon gar nicht von einem externen Historiker“, erzählt Fuchs. „Ich konnte hier wirklich historisches Neuland betreten.“ Wichtigste Quelle waren die Rundschreiben des Provinzials P. Otto Bader (1895-1972), in denen zahlreiche Informationen über das Leben der Mitglieder in den verschiedenen Niederlassungen in den dunklen Jahren der NS-Herrschaft enthalten sind. Wichtige Einblicke gaben auch die Aufzeichnungen von P. Johannes Kapistran Schärfl (1875-1963), der Pfarrer in Hüttendorf war.
Breite Zustimmung zum Anschluss 1938
Das austrofaschistische Regime 1933 von Engelbert Dollfuß fand großen Zuspruch in der Bevölkerung und erhielt auch Unterstützung von der Kirche, „weil er katholisch geprägt war. Er wollte einen Ständestaat errichtet. Das waren alte Vorstellungen von den verschiedenen Ständen, die auch von der Kirche jahrhundertelang transportiert worden sind“, fasst es der Historiker zusammen. Der Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die gesamte Bevölkerung, einschließlich der katholischen Kirche und der österreichischen Provinz der Salvatorianer. In weiten Teilen der Bevölkerung gab es große Zustimmung zur Annexion durch das NS-Regime, auch innerhalb der katholischen Kirche. Der Wiener Kardinal Theodor Innitzer begrüßte ausdrücklich die deutsche Machtübernahme. „Natürlich muss man da auch erwähnen, dass es den Antisemitismus, den die Nationalsozialsten geprägt haben, schon länger gegeben hat, und auch die Kirche hat da sehr viel beigetragen“, sagt Matthias Fuchs.
Angriffe auf die Kirche
Doch schon bald nach dem Anschluss war die katholische Kirche scharfen Angriffen durch die neuen Machthaber ausgesetzt. Hitler beschloss im Juli 1938, den vor fünf Jahren zwischen Bundeskanzler Dollfuß und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Staatskirchenvertrag nicht anzuerkennen. Zugleich wurde der Geltungsbereich des deutschen Konkordats von Juli 1933 nicht auf das annektierte Land erweitert. Österreich wurde somit konkordatsfreier Raum, und das Regime führte schnell umfassende kirchenfeindliche Maßnahmen durch. Mit Schulbeginn im Herbst 1938 wurden konfessionelle Privatschulen und Schülerheime geschlossen, die theologischen Fakultäten in Innsbruck und Salzburg aufgelöst. Über 830 Priester wurden inhaftiert, mehr als 1500 wurde das Predigen und Unterrichten verboten, Ordensleute wurden aus dem Schuldienst entlassen.
Maßnahmen gegen die Salvatorianer
Das traf auch die Salvatorianer: Die Maßnahmen brachten auch das vorläufige Ende des Kollegs der Ordensgemeinschaft in Graz. P. Schärfl in Hüttendorf berichtete auch von zahlreichen Schikanen auf örtlicher Ebene und tätlichen Angriffen. Gleichzeitig wurde in Wien am 1. Februar 1939 inmitten der düsteren Zeiten St. Michael unter den Salvatorianern als eigene Pfarre wiedereröffnet. Unter der Führung von Generalsuperior P. Pankratius Pfeiffer (1872-1945) waren die Ordenshäuser der Barnabiten in Wien und Niederösterreich von den Salvatorianern übernommen worden; 1923 wurde die Österreichische Provinz gegründet.
Während der gesamten Zeit der NS-Herrschaft und des Krieges war der bereits erwähnte P. Otto Bader Provinzial. Er zeigte in seinen Berichten zwar keine Sympathie für die Nationalsozialisten, aber doch eine gewisse Begeisterung für den Krieg, insbesondere für den späteren Feldzug in der Sowjetunion. Matthias Fuchs stellt fest: "Die Nationalsozialisten waren auch geschickt darin, diese Propaganda so zu gestalten, dass der Krieg sich wie ein Kreuzzug gegen den roten gottlosen Osten anfühlte".
Klostersturm
Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wurden unter dem sogenannten Klostersturm kirchliche Einrichtungen von den Behörden beschlagnahmt und enteignet. Dies traf in Österreich hauptsächlich große Stifte. Die Gesellschaft vom Göttlichen Heiland blieb davon großteils verschont, wenn auch nicht vollständig. Ende Oktober 1938 wurde das Pfarrheim in Hüttendorf enteignet und der NSDAP übergeben. Nach Kriegsbeginn kam es auch in einigen Kollegien der Salvatorianer zu Beschlagnahmungen. Im Kolleg St. Michael in der Habsburgergasse 12 in der Wiener Innenstadt beanspruchte der Polizei-Hilfsdienst den gesamten 3. Stock. Die NS-Frauenschaft nutzte in Margarethen am Moos einen größeren Raum. Und in Mistelbach stellte der Orden dem Luftschutzoffizier der Stadt unfreiwillig drei Kellerräume zur Verfügung – um nur einige Beispiele zu nennen.
Salvatorianer im Krieg
Die österreichische Provinz bestand am 1. Oktober 1939 aus 13 Niederlassungen mit 48 Priestern, 12 Klerikern und Scholastikern sowie 33 Laienbrüdern, insgesamt 93 Ordensmitglieder. Von diesen wurden alsbald mehrere Patres und Brüder in die deutsche Wehrmacht eingezogen, um im Krieg zu kämpfen. Dabei galt folgende Richtlinien: Jeder Antritt des Militärdiensts annullierte die Gelübde; nach der Rückkehr müssten diese erneut abgelegt werden. Dies galt allerdings nur für die zeitlichen Gelübde. Dabei war die Regel, dass Priestersoldaten nicht zur kämpfenden Mannschaft gehörten, sondern bei der Sanität in Lazaretten tätig waren.
Priester wurden allerdings auch an der Front eingesetzt. Doch die Zahl dieser „Kriegspfarrer“ in der Wehrmacht, denen eine kontroverse Rolle im Zweiten Weltkrieg zukommt, war überschaubar. Der Einsatz von Kriegspfarrern diente in erster Linie dazu, die Kampfkraft der Soldaten zu stärken. Feldgottesdienste sollten daher von evangelischen und katholischen Soldaten gemeinsam besucht werden, um sie zu einer Kampfgemeinschaft zusammenzuschweißen. Die Feldseelsorger sollten den nationalsozialistischen Überzeugungen entsprechen und die politischen Ziele des Krieges unterstützen, die sie auch gegenüber der Truppe vertreten sollten. „Aber wie viele wirklich vom Nationalsozialismus innerlich überzeugt waren, das lässt sich nicht sagen, weil sie auch oft eine Rolle spielen mussten“, relativiert Matthias Fuchs die Geschehnisse.
Obwohl die Nationalsozialisten den Einfluss der Kirche zurückdrängen wollten, konnten sie den vielen katholischen Soldaten ihren Glauben nicht nehmen. P. Cyprian Seidl, der als Kriegspfarrer in einem Lazarett tätig war, berichtete von vielen Soldaten, die tiefgläubig waren und die Beichte ablegten.
Salvatorianer im Widerstand
Es gab aber auch Patres, die unverhohlen ihre Abneigung gegen das nationalsozialistische Regime zeigten. Am 8. September 1941 wurde P. Ernst Trompeter (1908-1966), der als Kaplan in Margarethen am Moos/NÖ tätig war, von der Gestapo verhaftet, weil er während seiner Predigten regierungskritische Äußerungen gemacht hatte. Er wurde inhaftiert und zunächst in das Polizeigefängnis an der Roßauer Lände in Wien gebracht, später dann ins Konzentrationslager Dachau. Er musste fast vier Jahre dort verbringen, überlebte jedoch. Im Jahr 1945 wurde er freigelassen, jedoch litt er für den Rest seines Lebens unter den Folgen der Entbehrungen der KZ-Haft und verstarb schließlich rund 20 Jahre später an den Folgen davon.
P. Johannes Kapistran Schärfl hingegen kam glimpflich davon, als ähnliche Vorwürfe gegen ihn erhoben wurden. Der Pfarrer von Hüttendorf erhielt am 25. März 1943 eine Vorladung der Gestapo nach Wien und wurde mit detaillierten Anschuldigungen konfrontiert. Es gelang ihm jedoch, die Vorwürfe überzeugend zu widerlegen, und er wurde wie durch ein Wunder freigelassen. In seinen Aufzeichnungen dankte er der Gottesmutter Maria für ihre Hilfe.
Nach dem Krieg
Letztendlich wurden rund 30 Patres eingezogen; der Großteil überlebte und kam wieder in die Heimat zurück. Einige waren als vermisst gemeldet, die Patres Bernhard Rudolf Fock und Silvanus Sackmann sowie die Brüder Anton Nunner und Ägidius Kroiher waren im Kampf gegen die Rote Armee gefallen.
Ein Opfer musste nach dem Krieg beklagt werden: Am 21. April 1945 wurde P. Titus Helde (1905-1945), der Kaplan von Mistelbach, erschossen, nachdem er heldenhaft einige Frauen vor Vergewaltigung durch sowjetische Soldaten gerettet hatte.
„Doch Summa summarum konnten die Salvatorianer die Schrecken des Krieges im Großen und Ganzen gut überstehen. Durch Verhandlungsgeschick konnten große Beschlagnahmungen abgewendet werden“, so das Fazit von Matthias Fuchs.
Jubiläumsfeier vom 16. bis 18. Juni 2023
Unter dem Motto "weiter denken | weiter gehen" feiern wir Salvatorianer das 100jährige Bestehen der österreichischen Provinz. Deshalb laden wir Sie dazu ein, mit uns vom 16. bis 18. Juni 2023 in St. Michael in Wien I gemeinsam zu feiern. Höhepunkt wird das Symposion am 17. Juni 2023 sein, das einen weiten Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannen wird. Das Programm finden Sie unter www.salvatorianer.at/100jahre/.
"Erweckte Begeisterung"
100 Jahre österreichische Provinz der Salvatorianer (1923–2023)
Martin Kolozs, Robert Passini, P. Peter van Meijl (Hgg.)
Wagner Verlag 2023
ISBN 978-3-903040-73-1
Erscheint Juni 2023
Mehr Infos unter http://www.salvatorianer.at/buch2023