Lass mich nun ohne Erdenschwere bei Dir sein
Josef Kahofer
Pater Elmar
Meine letzte Predigt
Nun, da meine irdische Fassade
Abgefackelt ist, stehe ich nackt
und als Sünder vor Dir.
Du Gott meines Lebens.
Ich hoffe, dass es stimmt, dass
Du Sünder liebend zu Dir rufst.
Ich spreche adsum.
Lass mich nun ohne
Erdenschwere bei Dir sein.
Amen, ja Amen
Das ist berührender O-Ton von P. Elmar. Diese seine bewusst verfasste letzte Predigt ist für mich sein ganz persönliches Glaubensbekenntnis nach vielen Jahren als Mensch und als Christ. Kurz, selbst-kritisch, bodenständig und zuversichtlich, so wie er war und wie in viele unterschiedliche Menschen als menschennahen Seelsorger kennen und schätzen gelernt haben. Das verbindet uns in dieser Stunde des Abschieds und macht uns dankbar. Ich möchte noch eine paar Aspekte von seinem Lebensweg wie ich ihn von der Nähe und Ferne erlebte, uns vor Augen stellen. Einiges davon habe ich ihm anlässlich seines 50jährigen Priesterjubiläums Ende Juni 2014 in der Predigt in St. Michael schon gesagt. Ich möchte davon heute wieder gern erzählen, was in mir lebendig ist und wofür ich dankbar bin.
Lieber Elmar, ich erinnere mich noch genau, wie du am späteren Nachmittag vor meiner Priesterweihe Ende Juni 1980 gesagt hast: Josef, komm fahren wir noch ein wenig hinaus aus der Stadt und machen wir zusammen einen Spaziergang. Das Gehen und Reden war einfach genau das richtige, beruhigend und sehr bestärkend. So habe ich und etliche meiner Mitbrüder dich auch als aufmerksamen Begleiter durch das Pastoraljahr in der Salvatorpfarre in Graz erlebt: offen, einfach, humorvoll und herzlich, eben als liebevollen und tiefen Menschen und Mitbruder.
Wer damals wie Du Elmar zum Priester geweiht wurde, ist mit der Botschaft des Aggiornamento aufgebrochen. Den Glauben ins Heute zu tragen, „die Zeichen der Zeit zu verstehen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“, kritisch zu sein im Sinne der Unterscheidung der Geister, was mehr zum Leben und zur Freiheit führt. - So sehen wir heute Gott sei Dank den Priester nüchterner. Du warst als Ordensmann und Priester ein Mensch wie andere auch: Selbst ein Suchender, Ringender, Mühseliger, Beladener… Und: Du warst jemand, der unter dem Auftrag Gottes stand, die wir in der Lesung aus dem Propheten Jesaja gehört haben: den Armen eine frohe Botschaft zu bringen und wie du in deiner Einladung zur Priesterweihe und Primiz 1964 geschrieben hast: Jesus Christus hat mich zum Dienst berufen - Auf dein Wort Herr will ich die Netze auswerfen. Du hattest als Menschen-fischer nicht eine höhere, sondern eine andere spezifische Berufung und Sendung, in die du auch immer neu jeweils an den Wirkungsorten hinein-gewachsen bist. Du bist zum guten Hirten geworden - und hast wie St. Exupery es sagte, durch deine menschliche und einfache Art die Menschen die Sehnsucht nach der Freiheit und Freude der Frohbotschaft als einladen-de Lebensmelodie zu Herzen gespielt.
Dafür steht dieser Hirte vom Karmel Bärnbach in der Weststeiermark, der mit seiner Flöte dem Kinde- dem Jesuskind – fröhlich und innig aufspielt. Er hatte einen besonderen Platz in deinen Wohnungen – jetzt wird er ihn bei mir haben und mich an dich dankbar erinnern, motivieren und inspirieren.
Dich hat schon bei der Matura die Psyche des Menschen mehr als die Technik fasziniert, und so hast du dich als Seelsorger bei den Salvatorianern entschie-den. Und zeitlebens war die Psychologie dir ein Herzensanliegen und hast dazu viel gelesen und studiert, das dann in dein Reden und Handeln eingeflossen ist.
Bewundert habe ich dich damals schon, dass du an deinem freien Tag konsequent bei jeglichem Wetter leidenschaftlich in der Natur unterwegs warst – dabei gerne Höhlen erforscht hast – gerade der Grazer Hausberg Schöckl hat dich angezogen. In der Tiplhöhle hast du nicht nur neue Teile der Höhle, sondern auch den legendären Schöckelschatz und ebenso einen See entdeckt, der nach dir benannt wurde. Dafür stehen die drei bunten Steine. In der Bergwelt warst du schon von Kindesbeinen an daheim und hast auch die Welt von oben, nicht zuletzt auch als Segelflieger betrachtet und bewun-dert. Andererseits hast du ein Auge für die Natur, für besondere Steine, die du gesammelt hast.
Die kleinen unterschiedlichsten Blumen und Pflanzen, ja und die mächtigen Bäume. Du hast sie fotografiert und legendär sind deine Fotobilder – mit kurzen Sprüchen – die du gern bis zum Lebensende geteilt und verschenkt hast.
In den jungen Kaplansjahren bist du mit Jugendlichen viel im Rax-, Hoch-schwab- und Schneeberggebiet unterwegs gewesen. Du hast für deine Jugendlichen eine Untergruppe der Alpenvereinssektion Reichenau, die Gruppe Haid, gegündet. Und etwas Spezielles: du bist 2 Mal von der Apostelpfarre in Wien Favoriten mit jungen Männern in die Sahara Wüste aufgebrochen und hast sie durchquert. Als Bauernbua Pepperl von Klamm am Semmering waren dir Abenteuer, Forscherdrang, an Grenzen gehen und so auch die Spuren-suche mit jungen Menschen wichtig. Miteinander unter-wegs sein durch Dick und Dünn, in Schönem und Schwerem zusammenste-hen und auf einander verwiesen sein im Geist des Schöpfers. Inspiriert und fasziniert hat dich Charles de Foucould, der sich auf ein beschauliches sehr einfaches Leben bei den Tuareg eingelassen hat. Dafür steht der besondere Stein – die Wüstenrose und das Kamel.
Elmar, du hast dich immer wieder neu in deinem Diensten als Priester auf das Leben mit den konkreten Menschen mit ihren Bedürfnissen und Sehn-süchten eingelassen und dich von ihren Nöten berühren lassen. Dabei hast du für mich den Blick immer wieder aufs Weite und Ganze, und aufs das Zentrale u. Wesentliche gelenkt. Also Überblick, Über-sicht weit über die engen Grenzen hinaus wie am Berggipfel oder beim Segelfliegen und dann wieder sehr konkret aufs Spezifische, jetzt Not-wendige wie in den Höhlen. Das Gespräch und der Austausch waren dir sehr wichtig – gerade auch die montägliche Bibelrunde in Graz – wo du dir Anregungen für die Sonntags-predigt geholt hast. Aus dem heraus bist du auch als Seelsorger tätig geworden – in den vielen Hausbesuchen zum Auf-bauen der jungen Pfarre Salvator in Graz. Du hast eine Vision für ein zeitgemäßes Pfarrzentrum nach dem II. Vat. Konzil entwickelt – Die Kirche als das Zelt Gottes unter den Menschen – mit dem Blick auf den Salvator und den Kreis der Apostel – ganz salvatorianisch – und drum herum die Begegnungsräume für jung und alt. Bei der Eröffnung des Steirischen Katholikentages 1981 wurde dieses gelungene Bauwerk zur Freude vieler Menschen von Herz-Bischof Johann Weber eingeweiht.
Nach 17 vollen Jahren bist du mit 50 Lebensjahren schweren Herzens von Graz nach Wien Kaisermühlen aufgebrochen, denn die Menschen wollten dich nicht ziehen lassen. Dort hast du deinen Blick als Pfarrer bald besonders auf die Kranken und alten Menschen gerichtet und das Projekt Nachbarschafts-hilfe begonnen sowie die Vision eines Pflegehospizes entwickelt und durchgekämpft, ja du bist zum Einzelkämpfer in unserer Ordensgemeinschaft geworden.
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Elmar, die gehören auch zu deinem Leben. Auch deine Freude und dein Erfolg waren nicht ungetrübt. Du warst immer angetrieben vom Aufbruch- und Pioniergeist des II. Vatikanischen Konzils, warst ein gewisser Querdenker und Freigeist, dabei auch ein zäher Dranbleiber und Durchbeisser.
„Ich habe kirchlichen Ungehorsam geprobt und bin nicht nach Mistelbach gegangen“ schreibst du selber rückblickend zu deinem 80. Geburtstag. Mit dem Spruch, einen Alten Baum verpflanzt man nicht, hast du dich trotz vieler Gesprächs- und Mediationsversuche zum Leidwesen der Ordensgemeinschaft und auch eines Teiles der Pfarre Kaisermühlen dabei so verbissen, dass es zu sehr verletzenden und aufreibenden Konflikten mit der Ordens-Leitung gekommen ist. Letztlich war die räumlichen Trennung 2008 eine Lösung.
Deine Freunde haben dir zu einer Wohnung verholfen und du hast dich bis zum Schluss im neu adaptierten Kaisermühlner Hafen mit ganzem Herzen als Obmann und Ehrenobmann engagiert. Im Quartier Kaisermühlen im Goethehof – einer Alters-WG, die du als letztes Projekt geplant hast, haben deine FreundInnen, allen voran Friedl und Monika, dich dann die letzten Jahre hingebungsvoll bis zum Schluss gehegt und gepflegt und somit wirklich ein schönen und erfüllenden Lebensabend bereitet.
Mein Wunsch für dich und alle Betroffenen: Möge der zweite Teil deines Primizspruches aus dem Propheten Jesaja sich auch hier erfüllen, wenn es dort weiter heißt „Er hat mich gesandt, damit ich heile, deren Herz zerbrochen ist!“
P. Elmar, Du hast dein adsum, deine Bereitschaft ausgesprochen. Mögest du jetzt beim Herrn und auch wir Hinterbliebene ohne Erdenschwere weiterleben! Nimm teil an der Freude deines Herrn!
Predigt beim Begräbnis von P. Elmar Kahofer
am Freitag, 5. Mai 2023
in Klamm am Semmering
Von P. Josef Wonisch SDS