P. Josef Wilfings #Inselpost Nr. 23: Brief aus dem eisig kalten Österreich
Liebe Freunde und Bekannte,
der Sommer, d.h. die warme Periode der Trockenzeit hat auf den Philippinen begonnen, ich allerdings schreibe euch die letzten Zeilen dieses Briefes aus dem eisig kalten Österreich. Ich möchte mit euch auf zwei Monate zurückblicken, die ohne große Ereignisse blieben aber doch einige wichtige Begegnungen boten.
Eine Pfarre
Was wir seit langem erwartet haben, soll jetzt Wirklichkeit werden. Am 2. Februar trafen wir mit dem Bischof und dem Pfarrer von Dasmarinas zusammen, um die Stelle zu besichtigen, wo unsere erste Pfarre auf den Philippinen errichtet werden sollen. Dieses Feld, das Erbstück eines Priesters, dürfte allerdings zu klein für die Bedürfnisse eines Pfarrzentrums mit Kirche sein. Die Diözese wird noch Grund dazukaufen müssen. Man muss das Feld aufgeschütten, da das Areal tief liegt und nass ist – gut für ein Reisfeld.
Am 22. Juni sollen die beiden Patres Hoselito und James vorerst eine Mietwohnung in diesem Bereich beziehen und mit dem Aufbau der Pastoral und der Gemeinde beginnen. Der Teil wird von einer bestehenden Pfarre abgetrennt. Derzeit gibt es einige Subdivisions, abgetrennte und bewachte Wohngebiete mit wenig Infrastruktur. In diesen wohnen einerseits oft wohlhabendere Leute, die als Sponsoren helfen könnten, andererseits sind sie wegen der Wachen nicht einfach zugängig.
Die Menschen werden bereits durch den Pfarrer auf die neue Situation vorbereitet. Auf der Rückfahrt im Bus wurde auch über den Namen der Pfarre gesprochen. Der Selige Francis Jordan fand noch nicht so viel Gefallen beim Bischof, wohl aber der Vorschlag, die Pfarre der „Mutter des Heilandes“ zu weihen.
Vor dem Reisfeld mit (v.r.) Bischof Reynaldo, P. Hubert, Pfarrer von Dasmarinas und ich. (c) P. Josef Wilfing
Subdivisions werden meist von Investoren aus dem Boden gestampft und wachsen nicht wie natürliche Siedlungen. Ich sehe in ihnen künstliche Wucherungen. Sie sind bei vielen beliebt aber nicht für jedermann leistbar, selbst wenn manche dieser Häuser nur beengten Wohnraum bieten. Die Provinz Cavite südlich von Manila ist ein beliebter Siedlungsraum für ehemals in Manila Lebende. Das hat die Landschaft verändert. Gab es vor zehn Jahren noch 49.000 ha Reisfelder sind es heute nur noch 4.000 ha. Die Bevölkerung ist von 3,1 Mio auf 4,5 Mio gewachsen und aus 69 Pfarren sind 89 geworden. Seit Jahren wird bereits darüber nachgedacht, die Diözese in zwei (und vielleicht später in vier) zu teilen.
Am nächsten Tag nahmen wir am Pfarrfest der ältesten Kirche der Provinz teil. Die Pfarre Silang feiert üblicherweise drei Tage. Der zweite Tag ist der Tag des Bischofs, der Priester und anderer Ehrengäste. Nach der Messe waren wir noch zu einem reichen wenn auch kurzem Essen (eat and go) geladen. Für die Geladenen im Obergeschoss und in einem Saal im Erdgeschoss wurde Essen an andere Mitarbeiter oder auch Bedürftige ausgegeben.
Am dritten Tag folgte ein trauriges Ereignis, denn einige Brüder und wir drei Patres nahmen am Begräbnis der Frau unseres Kochs teil, die mit 41 Jahren an Krebs gestorben war. Der Leichnam bleibt nach dem Tod neun Tage im Haus aufgebahrt. Verwandte, Freunde und Nachbarn kommen zum Kondolenzbesuch, beten, essen und tragen durch Spenden für die Lebensmittel und die Begräbniskosten bei. Einen weiteren Beitrag liefern die Männer, die vor dem Haus Karten spielen, wobei der Gewinner einen Teil seines Gewinns für das Begräbnis spendet. Zum Begräbnis war die Friedhofskapelle gefüllt mit Angehörigen und Freunden. Im Anschluss begleiteten wir den Sarg zur Begräbnisstätte, die sofort zugemauert wurde.
Am 40. Tag nach dem Tod nahm der Koch frei, weil dann im Haus nochmals der Verstorbenen gedacht wurde und viele Leute zu einem Kondolenzbesuch kommen würden. Der Koch bat um Erlaubnis, seinen Sohn am Samstag zum Dienst mitnehmen zu dürfen. Er hat sich der Ministrantengruppe angeschlossen, die sich ebenfalls an diesem Tag trifft.
Nach der Messe vor dem Essen im Refektorium und im Studiensaal: Die Kinder in türkis suchen ihren Platz. Die Jugend in Blau und die Gruppe aus der Nachbargemeinde (in Schwarz) warten noch entspannt. (c) P. Josef Wilfing
Talon
Die drei (vier) Jugend- und Kindergruppen im Haus leben im Eifer des Beginns und treffen sich wöchentlich nicht nur zum Gottesdienst am Donnerstagabend (über einhundert Kinder, Jugendliche und Erwachsene) sondern auch am Samstag oder Sonntag, je nachdem, wann Platz im Haus ist. Am 19. Februar gab es eine Aufnahmefeier mit Versprechen, dem zuvor ging die Anschaffung von T-Shirts mit Aufdruck für jede der vier Gruppen. Ohne „Uniform“ geht es hier nicht.
Die Studenten aus Sri Lanka mit Professor Bernardo: Nirojan, Briddan und Praveen (beide letztere mit bester Thesis). (c) P. Josef Wilfing
Der März ist für die Studenten immer ein intensiver Monat, weil er die Abschlussprüfungen bringt und die Studenten des vierten Jahres ihre Thesis präsentieren und verteidigen müssen. Für uns – so das allgemeine Gefühl – ist nur die Abschlussfeier anstrengend, weil sie sich in die Länge zieht und als „endlos“ anfühlt. Wir sind dabei und sehen nicht selten auch einen guten Erfolg unserer Brüder. Dieses Jahr haben zwei aus Sri Lanka die beste Thesis geschrieben – wie auch vor zwei Jahren ein anderer von Sri Lanka. Das entspannende Fest folgt dann am Abend im Haus. Von den sechs Kandidaten werden fünf ins Noviziat eintreten, das in diesem Jahr erstmals am 21. Juli (Gedenktag des seligen P. Jordan).
Auch das Studienjahr wird von den Terminen der Pflichtschulen dem Zeitplan der Universitäten angeglichen, was für einige der Studenten einen verlängerten Heimaturlaub bedeutet – für manche nach vier oder fünf Jahren pandemiebedingter Abwesenheit. Doch ich saß den zweiten Teil der schulischen Feier wie auf Nadeln, da ich am frühen Nachmittag zum Flughafen gebracht werden sollte, womit mein Heimaturlaub begann.
Ursulinen
Zähneputztest - Blick in eines der "Häuser" im Hintergrund. (c) P. Josef Wilfing
Einmal wollte ich die Schwestern wieder zum Müllplatz begleiten, den ich schon vor vier Jahren einmal besucht hatte. Ein Geschäftsmann hat ein Grundstück gekauft und durch einen Stacheldrahtzaun abgetrennt, sodass eine neue Zufahrt geschaffen werden musste. Inzwischen leben in dem einen Teil 36 Familien (vorher waren es nur 28) aber gleich nebenan ist eine zweite, größere Siedlung entstanden, wo sich die Menschen ebenfalls durch Mülltrennung etwas Geld verdienen.
Die Infrastruktur ist gewachsen. Es gibt ein kleines Geschäft (Sari-Sari) und so etwas wie eine Bar. Die Schwestern widmen sich nur der Siedlung, die seit Anfang bestand. Einer der Buben konnte sich noch an meinen letzten Besuch erinnern. Die Kandidatinnen beschäftigten sich mit den Kindern und unterrichteten sie im Zähneputzen, eine junge Schwester sprach zu ein paar Jugendlichen, und Sr. Salome unterhielt sich (Unterricht?) mit den Frauen, während eine andere abgeordnet war, mit mir durch die Siedlung zu gehen und mir die Umstände näher zu erläutern. Zum Abschluss gab es Reis und Milchpulver und eine kleine Jause. Von dort fuhren wir zu einer anderen Schwesterngemeinschaft, wo ein Mädchen vom Müllplatz untergebracht ist, damit es in der Schule mit 14 Lesen und Schreiben zu lernen beginnt.
Philippinen
Allgemein gesagt, zeigt sich Präsident Marcos „menschlicher“ was die Verfolgung von Drogenhändlern betrifft. Außenpolitisch ist er nicht mehr liebdienerisch zu China sondern sucht einen Platz zwischen den USA und China, wobei er alte Verträge mit den USA erneuerte und auch erweiterte. China ist eine Art „freundliche“ Bedrohung der Integrität des Staates.
Innenpolitsch hat er das Budget seines Ressorts (Agrar) deutlich erhöht. Einige Freunde bekamen Aufträge zur Entwicklung von „irgendetwas“. Das Budget seiner Vizepräsidentin und Wahlhelferin für das Erziehungsministerium wurde unter das von der UNO empfohlene Quantum reduziert. Sie sucht jetzt im Ausland Sponsoren für den Bau von dringend benötigten Schulen.
Was kann man sehen: Sobald es Farbe gibt, wird das Haus angemalt (vorne, Mitte), wenn Platz benötigt wird, wird aufgestockt (re. hinten), die Blätter des Baumes dahinter dienen für einen Tee, der bei der Geburt hilfreich sein soll. Leben ist möglich. (c) P. Josef Wilfing
Der Justizminister versucht durch den Drogenkrieg inkriminierte Polizisten in Pension zu schicken. Man hatte bei Drogenrazzien engagierte Polizisten mit einem Teil des Funds belohnt. Sein Sohn wurde des Drogenbesitzes überführt aber vom Obersten Gericht enthaftet, weil die Polizei nicht die ganze Lieferkette protokolliert hatte. Die seit sechs Jahren einsitzende ehemalige Senatorin und Gegnerin von Präsident Duterte, Leila de Lima, kam bis jetzt nicht frei, obwohl die wichtigsten Zeugen ihre Aussage widerrufen haben und zwei andere Zeugen ermordet wurden. Dieser Ressort bedarf einer konsequenten Erneuerung, die nur langsam vor sich geht. Ein Gouverneur wurde ermordet. Eine Gruppe von mehreren Bewaffneten stürmte sein Haus, tötete acht und verletzte sechzehn weitere Anwesende. Sein verdächtiger politischer Gegner befindet sich in den USA. In seinem und seines Bruders Haus fand die Polizei jede Menge Waffen, Munition und Bargeld. Im Bereich der Politik ist es weiterhin spannend.
Es gibt Leute, die besuchen die Philippinen nicht, weil man sagt, es sei zu gefährlich. Solange man nicht arm, nicht Politiker oder Drogenhändler ist, sind sie ein guter Ort zu wohnen und zu leben. Auch die Slums und die Müll-Dörfer sind nicht ohne Freude.
Bleibt gesund und zuversichtlich!
P. Josef Wilfing
Talon, Amadeo, Philippinen, zum 31. März, 2023
Margarethen am Moos, gesendet am 15. April 2023