
Gott hat mich ans Ziel geführt!
Zum Requiem nach St. Michael kamen auch rund 20 Christen der Chinesischen Gemeinde in der ED Wien mit ihrem jetzigen Seelsorger Andreas Shisheng Pan (auch P. Andreas genannt) sowie die taiwanesische Botschafterin und weitere Vertreter der Botschaft. Sie würdigte P. Andreas als besonderen Menschen in seinem Einsatz von 35 Jahren in Taiwan am Ende des Gottesdienstes.
Zu der Einsegnungsfeier am Zentralfriedhof waren auch Weihbischof Franz Scharl und Pfarrer Konstantin Spiegelfeld von Johannes Nepomuk gekommen. Nach der Homilie sprach auch der Seelsorger der Chinesischen Gemeinde, P. Andreas Pan, Worte des Dankes und der Anerkennung aus. Weihbischof Franz Scharl nahm die Einsegnung an der Salvatorianer-Grabstätte vor.
Predigt von Provinzial P. Josef Wonisch
Die Predigt beim Requiem in St. Michael hielt Provinzial P. Josef Wonisch:
"Gott hat mich ans Ziel geführt! So überschrieb P. Andreas seine Einladung zur Priesterweihe und Primiz im Juni 1964. Darin bittet er um die Begleitung im Gebet und kündigt an: Zugleich kann ich Ihnen voll Freude mitteilen, dass mich meine Oberen zum Missionar von Formosa berufen haben, wohin ich bereits anfangs September abfahren werde.
Berufung und Sendung ist ein Prozess, und ein vielfältiges Geschehen und ein Ringen, zeigt uns die Hl. Schrift auf. Heute feiert die Kirche den Apostel Andreas, der wie sein Bruder Petrus Fischer am See Genesaret war. Jesus ruft sie mitten im Alltag und beauftragt sie, Menschen zu fischen, Menschen für Gottes Reich zu gewinnen. So möchte ich an wichtige Momente und Ereignisse im Lebens- und Glaubensweg von P. Andreas erinnern, die für ihn entscheidend und prägend waren. Er hat dabei immer wieder auch lernen müssen, in dieser Berufung und Sendung bis zum Tod zu wachsen.
Angefangen hat sein Leben im Ländle, in Vorarlberg. P. Andreas wurde in Dornbirn am 6. November 1937 geboren und in der dortigen Pfarre Haselstauden am nächsten Tag auf den Namen Emil getauft. Mit eineinhalb Jahren verlor er seinen Vater Anton durch Blutvergiftung. Die Mutter Emilie mit vier Kindern heiratete dann Herrn Rudolf Grabherr, 1941 übersiedelte die Familie nach Lustenau, wo er seine Kindheit verbrachte und am 26. Juni 1946 in Pfarrkirche St. Peter und Paul gefirmt wurde. Im September 1950 ging er in das Internat der Salvatorianer nach Lochau bei Bregenz, maturierte 1957 und bat um die Aufnahme in das Noviziat der Salvatorianer auf dem Klosterberg in Passau. Anfang Juli schreibt an den Provinzial, dass die Maturareise herrlich war und ihm neben dem schönen Venedig am besten Triest gefallen hat. Und weiter: „Ich freue mich schon aufs Noviziat! Heute hatten wir hier in Lustenau die dritte Primiz, die ich hier mitfeiern konnte. Wenn nichts dazwischen-kommt, werde ich die nächste feiern dürfen. Wie freue ich mich schon darauf!“
Und ein paar Wochen drauf im nächsten Brief an den Provinzial ist zu lesen: Ich habe mir nun auch einen großen Namenspatron aus-gesucht: Antonius (von Padua). Falls dieser Name schon besetzt ist, oder Sie lieber einen anderen wünschen, schlage ich als Ersatz den Apostel Andreas oder Thomas von Aquin vor. Anton hieß mein Vater selig und der hl. Antonius ist auch sozusagen der Patron unseres Weilers Wiesenrain, denn hier hat man ihm schon vor vielen Jahren eine große, schöne Kapelle erbaut. Und nicht zuletzt würde auch P. Antonius Mohr nicht schlecht klingen.“ Er beendet das Schreiben: Ich freue mich immer noch mehr aufs Noviziat! Und unterschreibt mit Emil (Fr. Antonius SDS).
Ein gutes Jahr später, am 11. 10. 1958 hat er in Passau seine Erste Profess, seine Gelübde abgelegt. Daraufhin absolvierte er an der Phil. Theol. Hochschule in Passau seine Studien und band sich 1961 in der Ewigen Profess auf immer an die Gemeinschaft der Salvatorianer. Im Passauer Dom wurde P. Andreas von Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB am Fest Peter und Paul, 29. Juni 1964, zum Priester geweiht. Mit seiner Heimatgemeinde Lustenau-Kirchdorf feierte er am 12. Juli darauf die erste Messe. Zielstrebig ist P. Andreas auf seine Berufung und Sendung zugegangen. Bei seinen wichtigen Dokumenten und Briefen hat er eine mehrseitige Kommunionandacht eines Knaben oder Jünglings, der Priester werden will, auf-bewahrt und mit der Hand dazugeschrieben: Habe ich als Schüler täglich gebetet – mit Unterschrift: P. Andreas Mohr.
Auf seinem Primizbild zitiert er Mt 28,19: Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das ist seine tiefe Sehnsucht, seine Sendung. – Dazu fühlte er sich wie unser Gründer, P. Franziskus Jordan, besonders gerufen und gesandt: hinauszugehen, in die Mission zu gehen und die Frohbotschaft zu verkündigen. Schon am 17. Juni 1963 hat er seine ausdrückliche Bitte an den Provinzial und Generaloberen gerichtet, dass er gerne nach der Priesterweihe in das neu anvertraute Missionsgebiet nach Formosa gehen möchte. P. Andreas erwähnt in diesem Brief, dass er schon in seinen Kinder-jahren immer Missionar werden wollte.
Ich wollte mich nicht vordrängen und wollte ganz auf die Berufung von Oben warten, wohin immer der Ruf gehen sollte. … Wie oft habe ich mit Südamerika „geliebäugelt“, weil dort besonders viel helfen kann! Er hat weiters in dem Brief auch seine Meinung ver-treten, „dass Gott uns viel eher und mehr Berufe schenkt, wenn auch wir bereit sind, welche zu opfern; und gerade für die Mission wie Belgien.“ Und weiter: „Ich hätte Interesse. Noch mehr, ich würde mich darüber richtig freuen. Ob ich dafür geeignet bin? Das weiß Gott allein. Krank bin ich sehr wenig. Im übrigen bin ich ein organisatorischer Typ und technisch-praktisch veranlagt, ein „Bastler“. … Und er schließt das Schreiben: Lieber P. Provinzial, … wenn Sie mir jetzt schon Nachricht geben können, habe ich die Möglichkeit, mich in Ausbildung und Primiz-geschenken usw. schon entsprechend vorzubereiten. In Ihrer Antwort liegt meine Zukunft – ich will darin den Willen Gottes sehen. Ihr treu ergebener Fr. Andreas Mohr SDS.
Der Generalobere, P. Bonaventura Schweizer SDS, freut sich über diese Missionsbegeisterung und schließlich wird P. Andreas als Neupriester 1964, am 12. September, feierlich vom Mutterhaus in Rom aus als Missionar nach Taiwan gesandt. Einen Monat lang fuhr er mit dem Schiff zunächst bis nach Singapore und dann nochmals eine Woche mit einem kleineren Schiff weiter bis nach Formosa, in europ. Sprache schön, in chinesischer Sprache: Taiwan.
Requiem in der Michaelerkirche, 1010 Wien. Links: Taiwanenische Botschafterin in Wien
Interessiert und eifrig hat er drei Jahre Chinesisch gebüffelt, und wurde dann schlussendlich nach Wulai gesendet, eine unwegsame, schrofffelsige Bergregion, in der die geringgeschätzten Indigenen als „Waldmenschen“ lebten und nie zuvor eine Missionsstation war. Dort hat P. Andreas sich viele Jahre ganz auf die Menschen und die Situation eingelassen, wobei er seine vielen Talenten und Begabungen so richtig entfalten und vielfältigst zum Wohle so Vieler einsetzen konnte.
Das verbindet ihn ja auch mit seinen Schwestern und Brüdern, die auch alle so praktisch und vielseitig beschenkt und begabt waren und sie voll eingesetzt haben. - Durch diese seine Hingabe kamen die Indigenen zur einer eigenen Schrift. P. Andreas hat sich dort sich dort mit Leib und Seele eingesetzt als Forscher, Krankenpfleger, Sozialarbeiter, Handwerker, Baumeister, Elektriker, Installateur, Förster, Jäger, Privatdedektiv gegen Menschenhandel, uam.
Ich bin überzeugt, dass ein Gebet von Bruder Klaus von der Flüe, das er bewusst auf sein Primizbildchen abdrucken lies, bei all dem zu tiefst geleitet und begleitet hat. Er hat es mir vor ein paar Jahren sehr berührend bei einem Besuch im Altersheim vorgebetet:
Mein Herr und mein Gott,
nimm alles mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen dir.
P. Andreas war auch ein wirklich großer Marienverehrer. Maria war ihm wie unserem Gründer, P. Franziskus Jordan, sehr wichtig, sie ist auch Patronin unserer Gesellschaft, viele Niederlassungen wur-den an Marienfeiertagen gegründet und Marienkolleg bezeichnet. – Daran hat er sich sicher orientiert. Das Primizbild von P. A. zeigt die sehr bekannte Maria mit Kind von Lukas Cranach. Und was wahr-scheinlich kaum jemand wusste: Am 15. September 1984 wurde P. Andreas in die Maria-Hilf-Bruderschaft bei St. Peter in München aufgenommen mit dem Leitspruch: NOS CUM PROLE PIA BENE-DICAT VIRGO MARIA – Maria mit dem Kinde lieb, uns allen Deinen Segen gib! Die seit 1684 dort ansässige Maria-Hilf-Bruderschaft sieht sich bis heute verpflichtet, auf vielfältige Weise die Verehrung der Gottesmutter zu pflegen und zu fördern.
Kirche Maria Hilf in Wulai, Taiwan
So ist es klar, dass P. Andreas hoch über Wulai die schönste Wall-fahrtskirche Taiwans, die Kirche „Maria Hilf“ mit einer Missionsstation erbaute. Die finanzielle Unterstützung dafür fand er hauptsächliche bei den Sternsingern in Österreich und bei seinen vielen Wohltätern gerade in Vorarlberg. Bei den Fahrzeugen hat ihm jeweils die MIVA (Missions Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft) tatkräftig geholfen. Also er konnte auch Hilfe gut organisieren und ein Netz-werk der Solidarität aufbauen.
P. Andreas war 35 Jahre lang mit Begeisterung und Elan bis zum Jahr 2000 ein Missionar der alten Schule, der für Leib- und Seele zuständig war. Von 1985-1991 war er auch Missionsoberer in Taiwan, wo er in lebendigem Austausch mit der ganzen Salvatorianischen Welt kam und blieb. Für einige Zeit war er auch Präsident der Superiorenkonferenz. Mit großer Freude und Leidenschaft hat er von seinen Erfahrungen in den Heimaturlauben erzählt und geteilt. Er hat auf seine Weise wohl exemplarisch Salvatorianisches Kerngeschäft gelebt „die Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes zu verkünden mit allen Mitteln, die die Liebe Christi eingibt“ – damit möglichst viele Menschen diesen Gott erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat. Das leuchtete aus seinem Gesicht mit den ganz wachen Augen bis zum Ende seines Lebens.
Für seinen Totaleinsatz bekam er die hohe national-chinesische Auszeichung „Guter Mensch, gute Sache“. Selbst die älteren Indigenen sagten zu ihm „Schenfu (=Priester), du bist unser Vater“. Diese intensiven Jahre mit dem Klima und all den Herausforde-rungen haben aber auch an seiner robusten Gesundheit gezehrt, er hat im Eifer oft zu wenig auf sich geachtet, seine Grenzen zu weit überschritten, das sich negativ auf seine Seele ausgewirkt hat. So musste er lernen, dazwischen auch immer wieder einmal leiser zu treten.
Nach seiner Rückkehr von Taiwan ist er nach einer Auszeit für ein paar Jahre nach Temeswar in Rumänien aufgebrochen, um dort mitzuhelfen und die junge, kleine Gemeinschaft zu stärken. Anfang Mai 2009 bat ich die Mitbrüder, kurz zu schreiben: Warum bin ich gern Salvatorianer? P. Andreas antwortet: Weil mir Salvatorianer von Anfang an viel geholfen haben im Studium in Lochau, wo ich gute, liebe Lehrer hatte. Weil sie mich in die Mission gehen ließen und mich dort stets tatkräftig unterstützt haben durch den „Heiland der Welt“ und die Missionsprokura in Passau.
Und jetzt bin ich noch gern Salvatorianer, weil die Arbeiten, die wir tun, mir gefallen und ich bei den Wiener Chinesen und bei der Legio Mariae, in denen ich mich einbringen darf, mich richtig glücklich machen.
P. Andreas letzte Station war das Kolleg Kaisermühlen. Von dort aus hat er sich von 2005 bis 2014 als Seelsorger für die chinesische Gemeinde der Erzdiözese voll engagiert. Viele haben in P. Andreas einen väterlichen Freund, eifrigen Seelsorger und Helfer gefunden, sodass freundschaftliche Beziehungen weit darüberhinaus lebendig geblieben sind. Nach einem schweren Unfall Ende 2013 hat er sich gesundheitlich nicht mehr wirklich erholt und verbrachte schließlich als interessierter und ganz wacher Mensch, zufrieden und betend seinen vergleichsweise ruhigen Lebensabend im Haus P. Jordan in Kaisermühlen.
Am Morgen des 17. Novembers ist P. Andreas heimgegangen. Er ist jetzt endgültig am Ziel angekommen. Er wurde erwartet und ihm wurde eine Wohnung vom Heiland selbst bereitet, damit P. Andreas auch dort bei Ihm ist.
Das ist wirklicher Trost: Wir sind und werden erwartet – jeder und jede. Darauf setzen wir als Christen unsere ganze Hoffnung. P. Andreas hat das 1991 beim Tod seiner lieben Mutter Emilie Grabher- Mohr auf ihre Parte geschrieben: „Wir danken Gott für diese herrliche Mutter, die er uns für so viele Jahre gegeben hat, und sind überzeugt, dass sie vom Himmel aus uns noch näher sein kann als vorher. Und wir freuen uns auf ein Wiedersehen! Wie schön ist es, Glauben zu haben und sich darin trösten zu können!“
Weihbischof Franz Scharl bei der Einsegnung an der Grabstätte der Salvatorianer am Zentralfriedhof Wien
Ja, zusammenfassend dürfen wir sagen: P. Andreas war wahrhaft mit Glauben und vielen Talenten gesegnet und hat sie mit Humor und Zuversicht eingesetzt. Das hat ihn so liebenswert gemacht. Auch wir Salvatorianer haben ihm für sein beispielhaftes missionarisches Leben zu danken. Danke für das Leichte und das Schwere. Danke für alles, was uns verbunden hat und weiterhin über das Grab hinaus verbindet.
Lieber P. Andreas: Im Licht Gottes wirst Du nun für immer wohnen!
Amen."
Fotos: Andreas Shisheng Pan, Seelsorger der chinesischen Gemeinde in der Erzdiözese Wien