Der Blick über den eigenen Kirchturm hinaus
Liebe große, bunte Feiergemeinschaft!
Ja, ich komme am 5. Februar um 17:00 Uhr ans Ende der Welt, um einen Mann von Welt(kirche) zu feiern. So schreibt Sr. Beatrix Mayerhofer, die langjährige Präsidentin der Frauenorden Österreichs, und bringt damit den heutigen Anlass auf den Punkt. Lieber Erhard, du lebst deinen Taufnamen: Er bedeutet „Ehre, Ansehen“ und hard, „hart, stark“. Als Mitbruder und jetziger Verantwortlicher der Salvatorianer in Österreich und Rumänien möchte ich keine Lobeshymne anstimmen, aber doch einige Meilen- und Mosaiksteine deines bewegten Lebensweges zum Leuchten bringen.
Dein Wesen, als Mann von Welt und Weltkirche, als Salvatorianer, das sich in den sieben Jahrzehnten geformt hat, lässt sich für mich gut mit den drei aktuellen zentralen Worten der Ordensgemeinschaften Österreich zusammenfassend beschreiben: einfach – gemeinsam – wach.
Einfach: du bist bodenständig, geerdet, technisch und praktisch begabt, mit einem Hausverstand. Du sprichst direkt, sprichst Klartext – bei dir kennst man sich aus, wo du stehst und wie man dran ist. Du mühst dich um eine verständliche, heutige Sprache, vermeidest das Kirchisch. Du magst Schlichtheit und einfache Schönheit, du hast guten Humor und Witz, verabscheust Phrasen und Schnörkel, und nicht zuletzt verweigerst du Titel.
Gemeinsam: Dir sind bei aller Individualität zentrale Säulen der Gemeinsamkeit, das Zusammengehen und Zusammenstehen vor allem im gelebten Alltag sehr wichtig. Das war und ist in der Ordensfamilie der Salvatorianischen Gemeinschaften ebenso ein großes Anliegen wie jetzt in der Pfarre St. Michael. Besonderes engagiert hast du dich in der Ordenslandschaft für den beharrlichen Prozess des Zueinander und Miteinander von Frauen und Männern. Sichtbar ist das geworden bei neuen gemeinsamen Projekten wie der Gesprächsinsel und dem Berufungszentrum Quo vadis?. Und nicht zuletzt, um gemeinsam in der Zivilgesellschaft kräftig mitzumischen durch die Vereinigung der Ordensschulen und der Ordenskrankenhäuser, aber auch der Kulturgüter.
Wach: Du bist ein klarer, nüchterner, offener, interessierter, reflektierender, rechnender, aufmerksamer, wacher Mensch und Priester, der schnell die Situationen erfasst, sich einen Durchblick verschafft, differenziert, kritisch Stellung bezieht und seine Überzeugungen nachhaltig einbringt und lebt.
Nun etwas Biografisches:
Lieber Erhard, du bist sicher ein salvatorianisches Urgestein – für mich ein Beispiel eines originellen Salvatorianers, den wir heute dankbar feiern dürfen.
Wir beide sind im gleichen Jahr, 1962, nach Graz ins Internat der Salvatorianer gekommen. Du stammst aus der Salvatorianerpfarre Mistelbach/Zaya, bist also ein Weinviertler, der gerade in den Ferien viel Zeit bei seinen Großeltern – dein Großvater war Schmied in Falkenstein – verbracht hat. Von ihm hast du dir einiges abgeschaut fürs Leben, jedenfalls erwähnst du ihn hin wieder einmal mit spürbarer Bewunderung und Dankbarkeit.
Ich finde, du bist einer, der nicht leicht in ein Schema passt – das war schon in der Schule in Graz so. Du gingst als einer der wenigen vom Internat in ein Realgymnasium und nicht in ein humanistisches. Als dir das Internat zu eng wurde, hast du dich selbständig gemacht, eine Wohnung gesucht, dich als Hausmann be(s)tätigt, in den Ferien die Arbeitswelt kennengelernt und dein Geld fürs Studium in Deutschland verdient.
Du warst immer weltzugewandt, hast dich interessiert für die Fragen der Gesellschaft und Politik und hast nicht nur als Tormann bei Vereinen mitgemischt. Dir ist gerade draußen sehr bald klar geworden, dass du deine Berufung bei den Salvatorianern leben willst.
Sehr zielstrebig hast du dein Studium fast nebenbei gemacht. Dabei hast du auch geschickt Ressourcen von Mitbrüdern genutzt. Du hast dich auch immer mehrfach aktiv und praktisch engagiert. So zum Beispiel als Nachhilfelehrer in Mathematik – mit viel Zeit und Geduld hast du mir etwas beizubringen versucht, das mir heute noch ein Rätsel ist.
Am 30. Juni 1974, also vor bald 46 Jahren, wurdest du in Graz von Bischof Weber zum Priester geweiht. Bei deiner Anzeige und Einladung hast du folgenden Text geschrieben und gewählt:
Berufen aus Gnade, nicht aus Verdienst,
lass mich Herr, dein Wort aufnehmen,
nicht, um es festzuhalten,
sondern um es weiterzuschenken
als Mittler zwischen Dir und uns.
Lass mich offen sein für die Not meiner Brüder
(heute würdest du dazufügen: und Schwestern).
Und offen für deine Botschaft,
ein Ort der Begegnung zwischen Himmel und Erde.
Eine Pädagogische Ausbildung zum Heimerzieher hat dich nach der Priesterweihe nach Baden geführt und dann zurück nach Graz als Präfekt. Die offene, auf Bewährung gezielte Linie von P. Albert hast du im Internat bei der Oberstufe weitergeführt und neue Wege in der Jugendarbeit beschritten – intern, als Seelsorger bei der studierenden Jugend und bei der Diözesansportgemeinschaft. Ebenso warst du Geistlicher Assistent der Berufsgemeinschaft der Familienhelferinnen in Graz. Und nicht zuletzt warst du ein engagierter und begeisternder Religionslehrer.
Mit der Lehrergemeinschaft am Borg Hasnerplatz und später Monsbergergasse bist du vor allem auch durch den Sport, durch die Sportwochen am Neusiedlersee zusammengewachsen, die bis heute noch sehr lebendig weiterwirken. Und die Begeisterung fürs Segeln hast du ebenfalls in Graz gewonnen – bis hin, dass du einen Club gegründet und Studenten an der USI jahrelang Segelunterricht gegeben hast, den du dann auch hier in Wien St. Michael weitergeführt hast. Wir haben heute ein sogenanntes Segelzimmer. Der Name geht auf diese Kurse zurück.
Orte der Begegnung wurden möglich, in der Berührung zwischen Himmel und Erde.
Nach Jahren als Provinzvikar bist du 1993 zum Provinzial gewählt worden, und das hat dich nach Wien St. Michael geführt, wo du mittlerweile zum lebendigen Inventar gehörst. Du bist jetzt Hausoberer, Pfarrer seit 2. Oktober 2016, Provinz- und Hausökonom. Du hast also viel Verantwortung und Arbeit. Insgesamt hast du mit Unterbrechung fünfzehn Jahre lang als Provinzial die Geschicke der Salvatorianer in Österreich und Rumänien geleitet, einige Jahre davon zusätzlich als Generalsekretär der Superiorenkonferenz. Eine wirklich intensive und bewegte Zeit. Du hast notwendige schwierige Entscheidungsprozesse innerhalb der Ordensprovinz angestoßen, durchgetragen und beharrlich umgesetzt. Freilich mussten wir schmerzlich viel Verdienstvolles und Wertvolles aufgeben, aber die Emotionen haben dich dabei nicht kalt gelassen.
Immer wieder waren und sind dir jetzt auch die Finanzen anvertraut worden und bei dir wirklich in guten, kompetenten Händen. So wurdest du auch beim letzten Generalkapitel 2018 in die internationale Finanzkommission gewählt, und unser Generaloberer P. Milton Zonta hat dich am 1. März 2019 zum Leiter dieser internationalen Finanzkommission der Salvatorianer bestellt.
Bei all den Herausforderungen hast du aber auch immer wieder den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus geübt und tust es weiterhin.
Wien hat dir zudem neue Perspektiven und Möglichkeiten in Kirche und Gesellschaft eröffnet. Du hast dich bei der Katholischen Aktion als Geistlicher Assistent sehr stark engagiert, und von 2002 bis 2015 war dir die Ordenslandschaft Österreichs als Generalsekretär der Superiorenkonferenz ein großes Herzensanliegen. Viel Neuland hast du betreten und beackert, dich lernbereit herausfordern und überraschen lassen.
Du hast viel Herzblut hineingegeben – nicht zuletzt mit der schwierigen und sensiblen Materie des Missbrauchs in der Opferschutzkommission, wo du dich bis dato immer noch für die Ordensgemeinschaften Österreich engagierst.
Der bewusste Blick nach vorne, die Neuschaffung eines Kommunikationsbüros, die notwendigen Strukturveränderungen und der Prozess des Zusammenschließens der Ordensgemeinschaften hat dich neben dem Alltagsgeschäft sehr gefordert. Ich meine, du hast sicher für zwei Personen gearbeitet und bist dann auch an eine Grenze mit den Augen gekommen, die du mit der Kunst der Ärzte im AKH Gott sei Dank gut gemeistert hast.
Erhard, neben dem Bemühen um eine Atmospähre, in der Berührung zwischen Himmel und Erde gelingen kann, war dir das Wort Jesu von den Talenten immer wichtig: sie nicht zu vergraben, sondern damit regelrecht Wucher zu treiben. Das motivierte und motiviert dich bis heute – darum ging und geht es dir in allen Aufgaben und Verantwortungsbereichen.
Und jetzt komme ich zum Ausblick: 70 plus
Lieber Erhard, Du hast mir zu Weihnachten ein Buch von zwei Ärzten aus Deutschland geschenkt. Dr. Eckhart von Hirschhausen und Dr. Tobias Esch haben ein ärztliches Gespräch unter Freunden herausgegeben mit dem Titel: DIE BESSERE HÄLFTE - Worauf wir uns mitten im Leben freuen können.
Dr. Tobias Esch (geboren 1970) ist Pionier einer ganzheitlichen Allgemeinmedizin und Experte für die Neurobiologie des Glücks.
Dr. Eckart von Hirschhausen ist Deutschlands bekanntester Arzt, einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren. Er verbindet medizinische Inhalte mit Humor und nachhaltigen Botschaften. Seit über zwanzig Jahren ist er als Komiker auf allen großen Bühnen Deutschlands unterwegs. Mit seiner Stiftung Humor hilft heilen bringt er gesundes Lachen ins Krankenhaus und stärkt das Humane in der Medizin und Pflege.
Beim Hineinschmöckern in einer Relaxwoche in Marienkron Anfang des Jahres habe ich erfahren, dass es den beiden in einem inspirierenden Dialog gelingt, richtig Lust aufs Älterwerden zu bekommen – und das möchte ich dir und uns allen nicht vorenthalten.
Du hast mir eben dieses Buch sicherlich mit Hintergedanken geschenkt – heute zum Geburtstag möchte ich dir und uns allen hier, die wir uns ja auch größtenteils in der zweiten Lebenshälfte befinden, die sieben Thesen für das Leben, das vor dir und uns liegt, vortragen.
1. Das Alter ist besser als sein Ruf. Was nicht so schwer ist bei dem Ruf. Halten Sie sich fest: Die allermeisten Menschen werden in der zweiten Hälfte des Lebens zufriedener! Deshalb nennen wir dieses Buch auch provokant „Die bessere Hälfte“!
2. Wer jammert, der ist nie allein. Ein Teil der Verzerrung: Von denen, die still zufrieden sind, bekommt man wenig mit. Aber es gibt sie, und es sind viele. Die Chancen, heute selbstbestimmt älter zu werden, sind so gut wie noch nie. Im Vergleich zu unseren Großeltern leben wir zehn Jahre länger, sind im Schnitt gebildeter, gesünder und körperlich fitter. Und auch reicher. An Geld und Möglichkeiten.
3. Die meisten Menschen sind mit 70 besser drauf als mit 17. Wenn Sie also wissen wollen, wie sich Altern anfühlt, beurteilen Sie es nicht von außen, sondern reden Sie mit den Leuten, die wissen, wie es ist mit 70, 80 oder 90 zu leben. Altern ist kein Abgesang – Altern ist Leben für Fortgeschrittene.
4. Aus Langzeitstudien wissen wir heute viel über die Psychologie des Alters. Je älter wir werden, desto wahrscheinlicher sind körperliche Einschränkungen. Was aber ebenso stimmt: Je älter wir werden, desto unabhängiger wird unsere seelische Verfassung von der körperlichen. Es gibt auch einen gesunden Geist in einem nicht ganz so gesunden Körper. Viele unserer Vorurteile und Ängste sind schlichtweg unbegründet.
5. Klar gibt es auch viele Menschen, die leiden: Demenz, Krebs, Schmerzen, Depression und Einsamkeit sind die großen „Stimmungskiller“ der zweiten Lebenshälfte. Und die Zeit direkt vor dem Tod ist für viele auch nicht schön, das wissen wir. Die Medizin kann dabei eine neue Rolle spielen, nicht als „Reparaturbetrieb“, sondern als Begleiter, Linderer und Ermöglicher.
6. Mächtiger als die Medizin ist der Alltag. Wir haben mehr Dinge selbst in der Hand, als wir glauben. Wir altern, wie wir gelebt haben. All das, was wir jeden Tag in unseren Köpfen und Herzen tun, bestimmt mit, wie freudig wir auf die bessere Hälfte zugehen. Lebensstil, Engagement und positive Erwartung verlängern nachweislich das Leben! Und das ist gut so, denn das Leben ist oft schön. Und lang. Länger und schöner, als wir denken.
7. Die Phase zwischen 60 und 85 ist länger als die Kindheit und Pubertät, länger als die Ausbildungszeit, länger, als die meisten Menschen am Stück in einem Job verbleiben – warum ist diese lange Lebensphase für viele ein „schwarzes Loch“? Die zweite Lebenshälfte ist kein Loch und auch nicht schwarz. Im Gegenteil: Diese Zeit kann extrem erfüllend sein, heiter und bunt.
Ich glaube, du kannst sicherlich der schönen These zustimmen: Altern ist Leben für Fortgeschrittene.
Ja, und genau das wünschen wir dir, lieber Erhard: viele erfüllende, bunte, mit Humor gewürzte und heitere Jahre.
Weil du ja auch eher ein Multitasking-Mensch bist, bekommst du das Hörbuch zum Buch von den beiden Autoren!
Erhard, mögest du dir glücken. Die zweite Hälfte – das weißt du ja als Fussballspieler – ist entscheidend. Die besten Glück- und Segenswünsche, und das auf viele, viele Jahre!
P. Josef Wonisch, 5. Februar 2020