P. Josef Wilfings Inselpost Nr. 3: Bin ich ein Missionar?
Liebe Freunde und Bekannte,
bin ich ein Missionar, wie manche sagen? „Ich bin zu den Brüdern gegangen.“ So sehe ich mich. Ich lebe mit, trage meinen Teil für den Alltag bei, suche das Gespräch, und teile, was ich erfahren habe. Und langsam möchte ich die Menschen hier und das Land kennen lernen und mich um die Sprache bemühen, wenn ich das noch schaffe. Mein Leben ist entspannter als in den letzten 40 Jahren.
Bis jetzt habe ich drei Exerzitienkurse gegeben, zwei für Schwesternkongregationen und einen für unsere jungen Mitbrüder. Offensichtlich sind ignatianische Exerzitien für die Philippinen etwas weniger Bekanntes, obwohl auch hier die Jesuiten sehr aktiv sind.
Die salvatorianische Jugendgruppe hatte mich zu ihrem Wochenende am Meer eingeladen, was ich gerne angenommen habe. Das Meerwasser hatte nachmittags am Strand fast Duschwassertemperatur. Beim Baden trägt man immer noch etwas drüber, also war ich auch mit T-Shirt im Wasser, das ich dann meersandgelb mit nach Hause gebracht habe.
Priesterweihe
Am 3. Juni wurde P. Florensio, ein Philippino, in unserer Pfarrei Amadeo vom Bischof von Imus (Cavite) zum Priester geweiht. Die Kolonne von 15 Autos mit Polizei- und Musikbegleitung war doch auffällig, auch wenn nicht alle Leute am Straßenrand verstanden haben werden, was da vor sich ging. Von der Hauptstraße bis zur Kirche gingen, wie bei Festen üblich, tanzende Frauengruppen voran. Alles hatte auch einen Volksfestcharakter. Der Bischof selbst ist ein sehr einfacher und umgänglicher Mann mit einem Bischofsstab aus Holz verziert nur mit einer philippinischen Schnitzerei. Nach der Messe waren alle Teilnehmer zum Mittagessen in der gegenüberliegenden Barangay-Halle eingeladen und nach der Dankmesse am Abend noch einmal. Am Abend war eher die übliche Pfarrbevölkerung beteiligt.
Thanksgiving auf Mactan
Am Thanksgiving in seiner Heimat, Insel Mactan bei Cebu, konnte ich ebenfalls teilnehmen und dabei auch die Salvatorianerinnen besuchen, die dort eine Schule in einem eher armen Stadtviertel führen. Zu den touristischen Sehenswürdigkeiten zählt auch die Stelle, an der der Inselhäuptling Lapu-Lapu am 27. April 1521 den Ferdinand Magellan getötet hatte, der damit seine Weltumseglung nicht vollenden konnte. Die Armen leben an den Stellen, die nicht als Grundstück gelten: auf Pfahlbauten in den flachen Ufergewässern, in den Gräben der Flüsse, die von den Bergen kommen oder an den steil abschüssigen Hängen neben den Straßen. Sobald es das Gelände irgendwie zulässt, werden an den Straßen kleine Geschäfte eröffnet - „sari-sari“ – Gemischtwaren. Verkauft wird alles, was man selbst einmal kaufen konnte. Not macht erfinderisch. Oft werden diese kleinen Geschäfte schnell wieder geschlossen. Nicht jeder hat die Begabung für diese Art Beschäftigung. Die meisten Menschen haben keine Vorräte, sondern kaufen nur für den täglichen Bedarf. Zwischen diesen Verkaufsständen gibt es größere Buden, die Obst, Brot oder auch Fleisch anbieten.
Priestermangel trotz intensiver Religiösität
Die Philippinen sind ein religionsfreundliches Land. 80% sollen Katholiken sein, aber genau weiß man das nicht. Es gibt keine Statistik sondern nur offizielle Angaben aus unsicheren Quellen. 20% von diesen sollen Kirchgänger sein. Das fühlt sich nicht immer so an. Orden führen Universitäten, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime und leisten damit einen bedeutenden Beitrag für das staatliche Sozialsystem. Für diese Einrichtungen gibt es keine Unterstützung durch den Staat, sie werden aber von den staatlichen Stellen kontrolliert auch was die Gebühren betrifft. Alles Geld muss für den Betrieb verwendet werden, für Gehälter und für Investitionen. Viele sind deswegen auch auf Spenden angewiesen. Trotz der „intensiven“ Religiosität der Philippinos gibt es Priestermangel. Unsere Pfarrei hat mindestens 25.000 Katholiken mit einem Pfarrer und einem pensionierten amerikanischen Priester, dazu die Hilfe unseres Diakons. Die ebenfalls nahe liegende Stadt Silang war bis vor zwei Jahren eine Pfarrei mit „offiziell geschätzten“ 100.000 Katholiken, einer Kirche und 44 Barangay-Kapellen. Eine andere Pfarre unserer Diözese zählt 70.000 Katholiken mit nur einem Pfarrer, der für die Kirche und zehn Messkapellen zuständig ist. Zudem gehören zu seiner Pfarrei ein Gefängnis und eine Müllmenschen-Siedlung. Er wird in seiner Sozialarbeit stark von polnischen Christen unterstützt. Auch auf der Insel Cebu muss die Kirche mit ähnlichen Verhältnissen umgehen.
Mehr als drei Messen für einen Priester am Sonntag sind keine Seltenheit, dazu meist auch noch Begräbnisse, da die Menschen sonntags leichter teilnehmen können. Seelsorgliche Arbeit in den Barangays wird vor allem durch Laien oder Ordensschwestern geleistet, weil dem Pfarrer dafür keine Zeit bleibt.
Mit etwa 85 Bischöfen ist die katholische Kirche recht unübersichtlich und zumindest in zwei Gruppen geteilt. Erst nach langem Zögern konnten sich die Bischöfe auf einen zahmen Protestbrief einigen, um gegen das durch den Staatspräsidenten erlaubte Morden von möglichen Drogenkonsumenten und –dealern zu protestieren – allerdings verbunden mit viel Verständnis für das Anliegen des Präsidenten. Das war der Kompromiss. Der vorherige Vorsitzende der Bischofskonferenz hatte für seine Diözese sofort einen sehr deutlichen Hirtenbrief verfasst, in dem er dieses Vorgehen als „Morden“ bezeichnet. Unser Bischof scheint nahe bei den Menschen zu sein. Er geht des Öfteren im Jahr auch zu Gottesdiensten in die Gefängnisse. Über diese werde ich gesondert berichten.
Priestermorde
Im letzten halben Jahr wurden drei Priester ermordet. Bei zweien war wohl ihr soziales Engagement der Grund. Der erste Priester wurde von einem Motorrad aus erschossen, beim zweiten stieg der Beifahrer vom Motorrad und ging, ohne seinen Helm abzunehmen, auf den Priester zu, der nach der Messe zwischen den Kirchgängern stand, und erschoss ihn aus nächster Nähe, der dritte Priester stand bereits am Altar und wollte die Messe beginnen, als er von den Kugeln getroffen wurde. Für diesen Mord scheint es kein Motiv zu geben.
Ortsvorsteherwahl
Vor kurzem haben die Wahlen für die Barangay-Captains (Ortsvorsteher) in allen etwa 43.000 Barangays der Philippinen gleichzeitig stattgefunden. Die Polizei meldete einen relativ friedlichen Verlauf mit nur 35 Toten und 27 Verletzten. Das war vermutlich keiner internationalen Nachrichtenagentur eine Schlagzeile wert. Nach welchen Kriterien werden diese ausgewählt? Wer nicht für den gewählten Barangay-Captain gestimmt hat, wird in dessen Amtsperiode, sollte er Hilfe brauchen, kaum berücksichtigt werden.
Paula die Einzelgängerin
Zurück zu uns: Fast alles Getier im und ums Haus hat derzeit Nachwuchs zu bieten, Enten, Hühner, Truthühner, Hunde, Katzen. Eine Einzelgängerin bleibt Paula. Sie wird wohl nicht ganz artgerecht gehalten, sonst wäre sie längst über alle Palmen. Aber auch aus dem Käfig ist sie schon einige Male entflohen. Sie hält sie sich trotzdem in der Nähe auf, weil es hier immer etwas zu essen gibt und seien es nur die Eier unserer Hühner. Letztlich hat sie sich immer noch mit einer Banane zurücklocken lassen. Wenn wir zum Essen kommen, macht sie sich sofort durch Rütteln am Gitter bemerkbar. Da Reis immer auf dem Tisch ist, ist dieser ein sehr häufiges Nahrungsmittel. Manches Mal aber wirft sie ihn protestierend zu Boden. Sonst liebt sie noch Toastbrot mit Erdnussbutter, noch besser mit süßem Inhalt wie Marmeladen oder Kokoshonig. Zuerst schleckt sie das Süße aus dem zusammengelegten Brot und danach von ihren Händen, bis sie zuletzt doch noch das Brot isst. Am liebsten sind ihr aber die Bananen, von denen sie bis zu drei gleichzeitig halten kann, während sie von einer abbeißt, die sie in weniger als 30 Sekunden verzehren kann.
Die Regenzeit hat mit monsunartigen Regenfällen begonnen. Alles fühlt sich feucht an. Der Schrank muss ständig gelüftet werden. Den Umgang damit muss ich erst lernen.
Ich grüße euch herzlich von der Insel
P. Josef
Talon, 14. Juni 2018