6. November 2018: Symposium gegen Menschenhandel
Unter dem Titel „Betroffene von Menschenhandel – Unsichtbar oder TrägerInnen von Recht?“ beschäftigte sich der Vormittag mit den verschiedenen Formen der Ausbeutung im Kontext von Menschenhandel und zeigte Indikatoren auf, die auf Ausbeutung hinweisen können, sowie die Möglichkeiten der „Identifizierung“. VertreterInnen von NGOs, die sich auf den Rechtsbeistand von Betroffenen spezialisiert haben, berichteten aus der Praxis, darunter Sr. Anna Mayrhofer von SOLWODI Österreich. Der von sechs weiblichen Ordensgemeinschaften gegründete Verein finanziert und betreut eine Schutzwohnung für Frauen in Wien.
Dazu stellten sich kurz Organisationen vor, die Betroffene von Menschenhandel unterstützen oder über eine besondere Expertise auf diesem Gebiet verfügen.
Fortbestehende Schutzlücken
Der Nachmittag stand unter dem Motto: „Unterstützung und Rechte für Betroffene von Menschenhandel auch ohne Strafverfolgung“. Katharina Beclin, Kriminologin an der Universität Wien und Vorsitzende der von den Salvatorianern mitbegründeten „Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel“ wies darauf hin, dass Österreich 2006 als erster EU-Mitgliedstaat das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Menschenhandel ratifiziert. Damit hat sich Österreich zu den Zielen dieser Konvention bekannt, nämlich Menschenhandel zu verhindern, Opfer zu schützen und Täter zu verfolgen. In der Folge kam es in Österreich zu wesentlichen rechtlichen und praktischen Verbesserungen des Schutzes für Opfer von Menschenhandel. Dennoch bestehen weiterhin große Lücken in der Gewährung von Schutz.
Problem fehlendes Wissen
Ein wesentliches Problem ist, dass der Großteil der Fälle von Menschenhandel den Behörden gar nicht bekannt wird. Ein Grund dafür ist, dass manche Betroffene sich selbst gar nicht als Opfer von Menschenhandel wahrnehmen oder keine Unterstützungseinrichtung kennen. Das wiederum bedeutet, dass die meisten Betroffenen oft keine Hilfseinrichtungen kontaktieren und daher keine Chance auf Unterstützung oder Zugang zu ihren Rechten haben.
Eine Meldung bei den Behörden kommt schon gar nicht in Frage; hier herrscht die Angst vor, dass man im Falle eines fehlenden Aufenthaltstitels in das Herkunftsland abgeschoben wird, wo oft fehlende Arbeitsmöglichkeit und soziale Absicherung eine Existenzbedrohung darstellen. Menschenhändler nützen genau diese Zwangslage aus.
Viele Opfer von Menschenhandel haben zusätzlich begründete Angst vor einer Aussage vor Polizei oder Gericht, weil ihnen beispielsweise für diesen Fall Vergeltungsmaßnahmen angedroht wurden, die häufig nicht nur sie selbst, sondern auch die Sicherheit ihrer Kinder und anderer Verwandter im Heimatland betreffen.
Gefordert: Schutz ohne Aussagezwang
Sobald Indikatoren auf Ihre Betroffenheit hindeuten, muss ihnen vorläufig Schutz und eine Perspektive geboten werden, die ihnen Zeit lässt und sie ermutigt, ihre Erfahrungen in späterer Folge mitzuteilen. Diese „Erholungs- und Bedenkzeit“ ist in Österreich weder gesetzlich verankert noch durch ein entsprechendes Entschlagungsrecht abgesichert.
Katharina Beclin: „Deshalb können Opfer von Menschenhandel in Österreich, anders als in der Europaratskonvention vorgesehen, nicht frei entscheiden, ob sie mit den Behörden kooperieren wollen.“
Zum anderen fehlt in Österreich die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel – auch ohne Beteiligung an einem Gerichtsverfahren – zu gewähren, wenn dies „angesichts der persönlichen Situation des Opfers notwendig erscheint“. Sowohl der Zugang zu kurzfristigem Schutz im Zuge der Erholungs- und Bedenkzeit, als auch der Zugang zu längerfristigem Schutz durch eine spezielles Aufenthaltsrecht steht also, anders als in der Europaratskonvention vorgesehen, nur jenen Betroffenen im vollen Umfang offen, die bereit und in der Lage sind, in einem Strafverfahren auszusagen.
„Aus Menschenrechtsperspektive ist aber dem Opferschutz unbedingt Vorrang einzuräumen. Deshalb sollten die beiden genannten Schutzlücken schnellstmöglich geschlossen werden“, betonte Beclin. Wenn man Opfern von Menschenhandel den ihnen zustehenden unbedingten Schutz gewährt, wird man damit langfristig mehr Betroffene ermächtigen und ermutigen können, mit den Behörden zu kooperieren und gegen die Täter auszusagen.