Pressegespräch "Migration und Arbeitsausbeutung in Europa: Ein komplexes Zusammenspiel"
Provinzial P. Josef Wonisch: „Forschung zeigt das Ausmaß und die Vielfalt des Menschenhandels“
„Die salvatorianischen Gemeinschaften in Österreich (Frauen und Männer) setzen sich seit vielen Jahren mit den vielfältigen Formen der modernen Sklaverei – dem Menschenhandel – auseinander“, betont Provinzial P. Josef Wonisch SDS. Anlässlich der Feiern zur Seligsprechung des Ordensgründers, P. Franziskus Jordan, beschlossen die salvatorianischen Gemeinschaften, ein zweijähriges Stipendium von € 12.000,-- zum Thema Menschenhandel zu vergeben, damit die wissenschaftliche Forschung zum Thema gefördert wird.
Die Hälfte des Betrages kam von privaten Sponsoren, von der Wirtschaftstreuhandgesellschaft Unitas Solidaris und von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Kuhn. Provinzial P. Josef Wonisch: „Wir freuen uns, dass wir es an Mag.a Marta Lidia Dubel vergeben konnten, die am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien eine Dissertation zu ‚Arbeitsausbeutung und Menschenhandel in Österreich’geschrieben hat.“
Warum eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Menschenhandel fördern?
Die Förderung wissenschaftlicher Untersuchungen zu Menschenhandel ist von großer Bedeutung, da dieses Verbrechen komplex und oft unsichtbar ist, mit Formen wie Zwangsarbeit, sexueller Ausbeutung und Organhandel. Durch Forschung wird das Ausmaß und die Vielfalt des Menschenhandels verstanden. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind entscheidend für das Entwickeln effektiver Präventions- und Interventionsstrategien und liefern wichtige Daten für politische und rechtliche Maßnahmen.
Sie helfen dabei, Muster, betroffene Gruppen und Risikofaktoren zu identifizieren, was den Schutz gefährdeter Personen verbessert. Zudem erhöhen sie das Bewusstsein und die Information über Menschenhandel in der Öffentlichkeit. Forschungsergebnisse sind auch für die Erstellung von Unterstützungs- und Rehabilitationsprogrammen für Opfer wichtig, um deren Lebensbedingungen zu verbessern.
P. Josef Wonisch
ist Provinzial der Salvatorianer
in Österreich und Rumänien.
Marta Lidia Dubel: „Migration und Arbeitsausbeutung in Europa: Ein komplexes Zusammenspiel“
In den letzten Jahren ist das Thema Migration nach Europa zu einem der wichtigsten und komplexesten Themen geworden, das weitreichende soziale, wirtschaftliche und politische Auswirkungen hat. Täglich berichten Medien über die sogenannte „Massenmigration“, die Europa erreicht, und deren vermeintlich negative Folgen für den Staat und die Zukunft. Auch politische Debatten kommen kaum ohne Verweise auf Migration und Asyl aus. In dieser Diskussion werden oft zahlreiche Faktoren für die Zunahme der Migration genannt, darunter Konflikte in Regionen wie dem Nahen Osten, Nordafrika und der Ukraine sowie wirtschaftliche Gründe und der Klimawandel. Laut dem renommierten Migrationsexperten Hein de Haas hat die Gesamtzahl der Migration jedoch nicht zugenommen. Vielmehr wird das Thema zunehmend von Populisten und fast allen politischen Parteien instrumentalisiert und die Migration mit Schlepperei und Kriminalität gleichgesetzt.
Die Politik der Panik
Diese „Politik der Panik“ schürt die Wahrnehmung, dass Millionen von Flüchtlingen nach Europa strömen und die politischen und sozialen Systeme bedrohen. Diese Rhetorik schafft einen fruchtbaren Boden für negative Assoziationen mit Migration und den Migrant:innen selbst. Oft ist von „illegaler“ Migration die Rede, und Bilder von Migrant:innen in Schlauchbooten auf dem Weg nach Europa werden gezeigt. Dabei kommen die meisten Migrant:innen legal nach Europa. Durch restriktive Aufenthaltspolitiken werden einige jedoch zu „undokumentierten“ Migrant:innen, obwohl sie jahrelang in Ländern wie Österreich gearbeitet und sich integriert haben.
Restriktionen und Arbeitsmarkt
Restriktive Visa-Politiken und erschwerte Arbeitsmarktzugänge schaffen eine Anzahl von undokumentierten Migrant:innen, die in der Schattenwirtschaft arbeiten. Diese Restriktionen seien laut de Haas „bewusste Bemühungen der Regierung und Unternehmen, um billige Arbeitskräfte zu beschäftigen“. Der globale Arbeitsmarkt erfordert Bewegungen von Arbeitnehmer:innen und Unternehmen. Unternehmen suchen nach kostengünstigere Produktionsstandorten und Arbeitskräften. Doch diese Bewegungen bringen auch Herausforderungen für Migrations- und Arbeitsrecht sowie gesellschaftliche Veränderungen mit sich. Politische Entscheidungsträger sind gefordert, neue Gesetze zu entwickeln, die den Schutz der Menschenrechte wahren.
Arbeitsausbeutung: Ein vielschichtiges Problem
Der Zusammenhang zwischen Migration und Arbeitsausbeutung ist komplex. Aufgrund ihres prekären Rechtsstatus sind viele Migrant:innen anfällig für Ausbeutung. Dabei spielen Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und mangelnde Kenntnisse der Arbeitsrechte eine Rolle. Arbeitgeber:innen können diese Lage ausnutzen und Migrant:innen zu langen Arbeitszeiten bei niedrigen Löhnen zwingen. Die restriktiven Arbeitsrechte und Visa-Politiken tragen erheblich zu diesen Praktiken bei.
Staatliche Verantwortung und soziale Ungerechtigkeit
Die staatliche Verantwortung für soziale Ungerechtigkeit erfordert, dass Regierungen systemische Ungleichheiten angehen. Dazu gehört die Förderung von Sozialgerechtigkeit und die Wahrung der Menschenrechte. Wenn Staaten versäumen, allen Arbeitnehmer:innen gleiche Rechte unabhängig ihrer Herkunft zu gewähren, tragen sie zur Ausbeutung bei.
Menschenrechte und Arbeitsmigranten
Menschenrechte und die Rechte von Arbeitsmigrant:innen überschneiden sich im Völkerrecht. Migrant:innen sind oft Opfer von Ausbeutung und Diskriminierung. Die Gewährleistung ihrer Rechte erfordert einen umfassenden Ansatz und internationale Standards, wie das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Arbeitsmigrant:innen.
Die österreichische Situation
Österreich ist wie viele europäische Länder von Arbeitskräftemangel betroffen, insbesondere im Tourismus und Gastgewerbe. In der Landwirtschaft sind viele Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigt. Saisonarbeitsvisa sind auf neun Monate begrenzt und an den Arbeitgeber gebunden. Die Rot-Weiß-Rot Karte schafft ebenfalls Abhängigkeiten. Außerdem gibt es für Saisonarbeiter:innen, die in Österreich tätig sind, keine gesetzliche Möglichkeit, eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten. Dies ist nur eine von vielen gesetzlichen Bestimmungen, die laut Dubel in ihrer Gesamtheit eine staatlich verursachte Verwundbarkeit schaffen. Ein weiteres Problem ist, dass Migrant:innen theoretisch zwar gegen Ausbeutung klagen könnten, aber während des laufenden Verfahrens ihre Arbeitserlaubnis verlieren.
In Österreich ist die Arbeitsausbeutung von Migrant:innen ein wachsendes Problem. Viele Arbeitnehmer:innen sind in prekären Beschäftigungsverhältnissen ohne ausreichenden Rechtsschutz. Die informelle Wirtschaft und unzureichende Gesetze tragen zur Ausbeutung bei. Österreich bemüht sich um Gesetze, die die Rechte von Arbeitsmigrant:innen schützen sollen, doch die Anpassung an die Herausforderungen der Zeit bleibt eine Aufgabe.
Empfehlungen zur Verbesserung der Situation
Um die Situation zu verbessern, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Der Schutz von Arbeitsmigrant:innen muss in der Arbeitsgesetzgebung verankert werden.
- Mindestlohn und Sozialversicherungsbeiträge müssen garantiert werden.
- Reform des Arbeitsaufsichtssystems zur Überwachung der Arbeitsbedingungen
- Integration von Saisonarbeiter:innen am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft
- Unterstützung von Gewerkschaften und NGOs
- Schnelle Anerkennung ausländischer Qualifikationen
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ausbeutung der Arbeitskraft in Europa ein komplexes Phänomen ist, das grundlegende Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit untergräbt. Eine konzertierte Anstrengung auf nationaler und internationaler Ebene ist notwendig, um menschenwürdige Arbeit für alle zu gewährleisten und die Würde der Arbeitnehmer:innen zu schützen.
Marta Lidia Dubel
ist Kultur- und Sozialanthropologin
Sr. Maria Schlackl: „Menschenhandel ist ein wachsendes kriminelles Geschäft“
Beim Pressegespräch hob die Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl hervor, dass das Ausmaß der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Mädchen erschreckend ist und der Menschenhandel ständig zunimmt. Laut Sr. Schlackl stellt der Menschenhandel im 21. Jahrhundert den profitabelsten und am rasantesten expandierenden Sektor der organisierten Kriminalität dar. Sie betonte, dass wir uns nicht einfach abwenden dürfen und plädierte für mehr Unterstützung innerhalb der Kirche.
Die Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel, der SOLWODI und die Salvatorianerinnen angehören, fördert die Vernetzung und entwickelt Vorschläge zur Bekämpfung des Menschenhandels. Kürzlich wurde eine Diskussion zum Thema Zugangshürden zum Arbeitsmarkt und deren Rolle bei Ausbeutung organisiert. Besonders erniedrigend sei es, dass Prostitution in Österreich eine der wenigen legalen Arbeitsmöglichkeiten für Asylsuchende ist, erklärte Sr. Maria Schlackl.
Informationen dazu gibt es auf der Website www.gegenmenschenhandel.at.
Sr. Maria Schlackl
ist Gründerin und Leiterin der Initiative:
Aktiv gegen Menschenhandel – aktiv für Menschenwürde
Zum Nachlesen/Nachhören
Der Ö1-Beitrag zum Nachhören in der Radiothek: MO | 14 10 2024 - oe1.ORF.at
Vatican News Österreich: Gegen Arbeitsausbeutung und modernen Menschenhandel - Vatican News
Presse-Infos
Die Fotos von der Pressekonferenz (14. Oktober 2024):