
„Vernetzen für ein würdevolles Menschsein“
Es waren zweieinhalb Stunden, die informierten, die aufhorchen ließen, die betroffen machten, die manchmal sogar Tränen des Mitleids und des Zorns hervorbrachten. Was die Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl und das Musiktheater Linz unter dem Titel „Menschenwürde, du spielst eine Rolle“ am 18. Oktober 2020, dem Europäische Tag gegen Menschenhandel, gemeinsam auf die Bühne brachten, war eine gut durchdachte und gut gemachte emotionale Berg- und Talfahrt, die das Grauen des Menschenhandels anschaulich in Worte, in Musik und in Tanz fasste. Unberührt blieb keiner der Zuseher.
Trotz Corona-Vorsichtsmaßnahmen konnte das Musiktheater Linz letztendlich rund 180 Gäste im Foyer begrüßen. (c) Robert Sonnleitner
40 Millionen Menschen, so Schätzungen, sind Opfer des Menschenhandels. Es ist ein Milliardengeschäft; die Gewinne werden weltweit auf 32 Milliarden US-Dollar geschätzt – jährlich. Die Opfer sind Männer, Frauen, Kinder, sogar Babys; sie werden als Arbeits- oder Sexsklaven missbraucht oder zum Zweck der Organentnahme, Heirat oder Adoption verkauft.
Bundespräsident Alexander van der Bellen bedankte sich in einer Videogrußbotschaft für das Engagement von Sr. Maria Schlackl. (c) Robert Sonnleitner
Bundespräsident Van der Bellen: Respekt und Danke
In einer Video-Grußbotschaft bedankte sich Bundespräsident Alexander van der Bellen bei Sr. Maria Schlackl und ihrem Team von der Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel“ für ihren „mutigen und engagierten Einsatz“, der ihr „oft nicht nur Anerkennung, sondern auch Anfeindung und Kritik einbringe. Und trotzdem tun sie es. Respekt und Danke!“ Sie widme sich „einem Leben im Schatten, abseits von Würde, Wohlstand und Freiheit.“ Und weiter: Das „Geschäft mit der Ware Mensch sei Realität, aber daran dürfen wir uns niemals gewöhnen.“
Herrmann Schneider: Kunst ist Einführung ins Leben
Für Musiktheater Linz Intendant Herrmann Schneider war es eine Selbstverständlichkeit, sein Haus für diese Matinee zur Verfügung zu stellen. Man wolle damit seine Solidarität im Kampf gegen Menschenhandel zeigen. Doch mehr noch: „Der amerikanische Komponist John Cage definierte den Unterschied zwischen gegenwärtiges und früheres Kunstverständnis“, so Intendant Schneider. „Früher haben die Menschen Kunst als etwas verstanden, was besser organisiert war als das Leben, und in das man sich flüchten konnte vor dem Leben. Heute verstehen wir Kunst als Einführung in das Leben. Das ist genau unser Auftrag.“ Und weiter: „Aus diesem Grund ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, nicht nur von mir, sondern vom ganzen Ensemble, zu sagen, das ist unser Selbstverständnis, deswegen genauso Kunst zu machen.“
Initiatorin Sr. Maria Schlackl und Hausherr Intendant Herrmann Schneider begrüßten die Gäste zur Benefizmatinee. (c) Robert Sonnleitner
Sr. Maria Schlackl: der Menschenwürde Stimme geben
„Menschenwürde wohnt in jedem Menschen inne“, sagte Matinee-Initiatorin Sr. Maria Schlackl in ihrer Begrüßungsrede. „Sie umhüllt uns, schützt uns. Können wir davon ausgehen, dass das für alle Menschen gilt?“ Es stünde in der Deklaration der Menschenrechte, dass alle Menschen gleich seien frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Doch das stünde nicht im Einklang mit der Wirklichkeit. Können Menschen ihre eigene Würde schützen vor fremden Zugriff? Können sie hineinschlüpfen in die Menschenwürde wie die Rolle in einem Theater? „Ist die Menschenwürde in Gefahr? Das ist eine der großen Menschenrechtsfragen, der wir uns stellen müssen.“
Als Initiative „Aktiv gegen Menschenhandel“ und sehe man für sich den Auftrag, die „Frage nach dem Menschen und seiner Würde wachhalten und eben dieser Frage Stimme und Ausdruck durch unseren öffentlichen Auftritt geben“, so Sr. Schlackl. „Dazu sind wir aufgerufen, uns zu vernetzen und wirksam werden für ein würdevolles Menschsein – in erster Linie gegen den Ausverkauf der Menschenwürde. Für eine respektvolle Gesellschaft ohne Machtgefälle zwischen Frau und Mann. Für eine Gesellschaft, in der Menschen nicht ausgebeutet und in sklavenähnlichen Bedingungen gehalten und missbraucht werden. Denn dafür gibt es Profiteure“, so die Salvatorianerin.
"Über uns nur der Himmel" - Schauspielerin Daniela Dett interpretierte "Imagine" von John Lennon. (c) Robert Sonnleitner
Die Benefizmatinee, deren Reinerlös dem Verein SOLWODI zugutekommt, wurde künstlerisch unterstützt durch Daniela Dett und Christian Fröhlich vom Musiktheater Linz, dem Kammermusikensemble Lentia Nova unter der musikalischen Leitung von Michael Wahlmüller und der Dance Company Variable.
Unter den Gästen konnten auch Bischof Manfred Scheuer, Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, Landtagsabgeordneter Christian Kolarik, Landesrätin Birgit Gerstorfer und Superintendent Gerold Lehner begrüßt werden.