„Kreuzwege“ in unserer Zeit
Wir sehen hier einen Schuh vor dem Altar. Dieser Schuh kann schon vieles erzählen. Er hat so manches mitgemacht. Es ist der Schuh eines Arbeitslosen. Er kennt die vielen Wege zum AMS. Die Coronakrise hat ihn plötzlich arbeitslos gemacht. Aber es gibt derzeit keine Chance… Mit 34 Jahren, das neue Haus noch nicht abbezahlt, verheiratet und zwei kleine Kinder… Wie soll das weitergehen?
Wir haben seinen Schuh hier hergestellt, weil er viele schwere Wege, viele Kreuzwege gegangen ist und auch noch gehen wird. Wir tragen nicht nur unser Kreuz, sondern wir gehen es auch. Wir alle haben Kreuz- und Auferstehungswege und wir gehen sie in unseren Schuhen. Daher haben wir auch unsere eigenen Schuhe und Schuhe unserer Bekannten mitgebracht…
Ich bringe meinen Hausschuh. Er ist angenehm und weich. Nach einem langen, arbeitsreichen Tag erholen sich meine Füße darin. Nun ist es recht ruhig geworden. Ich bin irgendwie zum Nichtstun verurteilt. Mit 60 + gehöre ich zur Risikogruppe und soll, ja muss daheim bleiben, in meinen vier Wänden. Ich will es ernst nehmen. Es schränkt mich ein. Aber es ist wichtig und vermutlich das einzig Richtige…. Viele haben Ängste vor der Krankheit und leiden unter der großen Einsamkeit. So lege ich meinen Hausschuh vor den Altar….
Ich bringe meinen Bergschuh. Er hat Profil. Er gibt Halt und schützt vor Nässe, verhindert das Abrutschen. In dieser Zeit brauchen viele Menschen Halt und Schutz, brauchen jemanden, damit sie nicht in die Depression abgleiten oder gar verzweifeln. Ich lege meinen Bergschuh vor den Altar, weil ich anderen Menschen Halt und Stütze sein möchte und bete für all jene, die in dieser Zeit große Verantwortung in Kirche und Staat tragen.
Ich bringe den Schuh einer Witwe. Ihr Mann war schwer krank. Sie hat ihn liebevoll begleitet. Dieser Schuh kennt ihre Wege zum Arzt, zur Apotheke, ins Krankenhaus… Wieviele Menschen dürfen in dieser Zeit ihre Kranken und Sterbenden nicht selber pflegen oder im Spital besuchen. Nicht einmal vorm Sterben dürfen sie sich von ihrem geliebten Partner/in verabschieden. Ich stelle diesen Schuh vor den Altar und denke besonders an alle Verstorbenen.
Ich bringe den Schuh eines Lehrers. Er kennt die Sorgen und Freuden der Schüler gut. Oft und oft hat er den Lehrer in die Klasse getragen und geholfen, die jeweilige Stunde vor den jungen Leuten durchzustehen. Ein guter Lehrer geht auf die Schüler zu. Nun ist das derzeit so nicht mehr möglich. Home-learning heißt das nun – via PC, Handy oder Tablet. Ich stelle meinen Schuh vor den Altar und hoffe, dass wir alle die Prüfungen und Herausforderungen dieser Zeit mit Bravour schaffen.
Ich bringe den Schuh eines Arztes. Er geht auf Menschen zu, lässt sie nicht im Stich. Er darf keine Berührungsängste haben. Er kennt die Wege ins Spital, er kennt die Operationen. Er kennt die Erfolge und die Heilung. Er kennt aber auch die Schritte zu den Angehörigen, wenn er mitteilen muss, dass es jemand leider nicht überlebt hat. Ich stelle diesen Schuh vor den Altar und bete für alle Ärzte, Schwestern, Pfleger/innen, Sanitäter, Einsatzkräfte, Seelsorger…
Ich bringe einen Babyschuh. Er ist ganz weich und noch sehr klein. In ihm stecken die ersten Gehversuche eines jungen Menschen. Ich mach mir Gedanken, was auf unsere Enkerl und Urenkerl wohl zukommt… Ich lege diese Patscherl vor den Altar und bitte um eine gute, glückliche und heilvolle Zukunft für die Kinder, Familien und uns alle.