Temeswar: Sensibilisierungs-Programme zum Thema Menschenhandel
Die einzelnen Treffen dauerten 1,5 bis zwei Stunden. Sie fanden an sieben verschiedenen Orten statt, nämlich in der Kindertagesstätte für Roma-Kinder der Diözesancaritas in Periam (Perjamosch), im bischöflichen Gymnasium „Gerhardinum“ in Temeswar, im Wohnheim für Oberschüler/-innen der Caritas in Lipova (Lippa), im Salvatorianerkloster in Temeswar als Treffen der Pfarrjugend der Pfarre Elisabethstadt, in der Kindertagesstätte der Diözesancaritas in Bakowa, im Kinderheim der Diözesancaritas in Temeswar Freidorf und in den Räumen der röm.-kath. Pfarre in Lugosch als Treffen der Pfarrjugend.
Zu dem Treffen im Salvatorianerkloster waren auch Jugendliche aus anderen Pfarren eingeladen. Insgesamt nahmen rund 130 Personen an den angebotenen Veranstaltungen teil.
Sicherheit im Internet
Da Sr. Adina viel Erfahrung mit Veranstaltungen zur Prävention von Menschenhandel hat, konnte sie sich gut auf die verschiedenen Gruppen einstellen. Bei den Jüngeren legte sie den Akzent auf die Sicherheit im Internet. Sie hatte einen eindrucksvollen Kurzfilm, in dem gezeigt wird, dass das ungesicherte Posten von Bildern und Mitteilen von persönlichen Informationen an Unbekannte vergleichbar ist mit dem Offenlassen der Haustür. Jeder kann dann das veröffentlichte Material benutzen - zu guten, aber auch zu bösen Zwecken. Der Film bewirkte Nachdenklichkeit. Manche Teilnehmer*Innen gaben zu, dass sie Fotos völlig ungesichert posten und dass sie über den einen oder anderen Bekannten eigentlich kaum etwas wissen.
Menschenhandel und Zwangsprostitution
Bei den Jugendlichen ab 14 Jahren lag der Schwerpunkt auf dem eigentlichen Thema „Menschenhandel“. Auch dazu hatte Sr. Adina einen Kurzfilm, einen Bericht über eine junge Frau, die im Alter von 15 Jahren von einer vermeintlichen Freundin in eine Wohnung in Bukarest gelockt worden und dort acht Monate lang zur Zwangsprostitution festgehalten worden war, bevor ihr die Flucht gelang. Aufgrund der zahlreichen Vergewaltigungen hat sie große psychische und gesundheitliche Probleme und sitzt heute im Rollstuhl.
Unsere Jugendlichen sind von ihrem gesellschaftlichen Umfeld geprägt, und das führt bei nicht wenigen vor allem männlichen Jugendlichen zu der Annahme, dass Frauen und Mädchen, die sich prostituieren, das irgendwie doch freiwillig und aus eigener Wahl tun würden. Nicht wenige, Teilnehmern*Innen, insbesondere aus einem eher städtischen Umfeld, gaben an, Personen zu kennen, die wahrscheinlich mit Menschenhandel zu tun haben.
Teils gab es sehr engagierte Diskussionen darüber, wie gute Bekannte oder Freunde aus der Kindheit von solchen unheilvollen Wegen abgehalten werden könnten, bis hin zu der Frage, wie wir in einer Welt, in der solche Ausbeutung von Menschen hingenommen wird, von einem anderen Menschenbild und von der Würde eines jeden Menschen Zeugnis ablegen können.
Mädchenmorde in Caracal
Vielen Kindern und Jugendlichen fielen zu dem Thema sofort die Mädchenmorde in dem Ort Caracal in Rumänien ein, die vor einigen Monaten in allen Medien präsent waren. Für viele, nicht nur junge Menschen erweckt das Stichwort „Menschenhandel“ ein Horrorszenario wie aus einem Film und nicht eine reale Gefahr, vor der man sich durch kluges und vorsichtiges Verhalten auch schützen kann.
Dieselben Jugendlichen, die mit Grausen von den Morden in Caracal erzählten, berichteten treuherzig, dass sie, wenn sie volljährig wären, in England arbeiten wollten, und auf die Nachfrage von Sr. Adina, wie sie das bewerkstelligen wollten, antworteten, dass sie einfach hinfahren würden, dass sie in einem Wohnwagen leben würden und dass sich dann eine Arbeitsstelle sicher ergeben würde. Wenn solche naiven Vorstellungen in die Tat umgesetzt werden, dann haben Menschenhändler leichtes Spiel.
Das Thema war besonders für die jüngeren Teilnehmer ein erregendes Thema. Auch wenn die in den Gesprächen erkennbare Intensität der Beteiligung recht unterschiedlich war, kann man feststellen, dass die Präsentationen niemanden unberührt gelassen haben. Das Thema hatte vielen Jugendlichen sowie Erwachsenen zu denken gegeben. In einigen Fällen hat Sr. Adina Arbeitsmaterialien weitergegeben, damit die Betreuer der Gruppen damit noch weiterarbeiten können. Die ganze Unternehmung kann als sehr gelungen und fruchtbar bezeichnet werden.
Fortführung der Informationsinitiative wünschenswert
Eine einmalige Information und ein Denkanstoß werden für viele der angesprochenen Jugendlichen nicht ausreichend sein, um sie wirksam vor Ausbeutung zu schützen. Eine behutsame Fortsetzung des Themas bei passender Gelegenheit durch die regulären Betreuungspersonen der Gruppen wäre wünschenswert. Dafür geeignete Begleit- und Betreuungspersonen sind nicht in allen Fällen gegeben. Dennoch könnte daran gedacht werden, in der Zukunft einen Informations- und Impulstag für pädagogisches Personal anzubieten. Ähnliche Veranstaltungen wie die stattgefundenen könnten auch in weiteren Pfarren unserer Diözese angeboten werden. In einigen Fällen gibt es Kontakte zu Schulen, sogar den Wunsch nach einer Informationsveranstaltung im schulischen Bereich. Auch das könnte organisiert werden.
Eine Informationsveranstaltung für Priester als Personen, die mit gefährdeten Jugendlichen und vielleicht auch mit Opfern von Ausbeutung in Kontakt kommen, ist in Vorbereitung, jedoch noch nicht zur Verwirklichung gelangt. Es bestehen Kontakte zu Solwodi, Rumänien und Solwodi, Ungarn, sodass Veranstaltungen in beiden Sprachen organisiert werden könnten.
Das Thema sollte jedenfalls nicht aus den Augen verloren werden, denn der Einsatz für die Respektierung der Würde eines jeden Menschen ist eine genuin christliche Aufgabe.
Text: Imogen Tietze