Abschied von Sri Lanka
Ursprünglich sollte es gar nicht Sri Lanka werden. Ursprünglich wollte P. Thomas Runggaldier in Bangalore in Indien arbeiten. Schon als kleiner Bub hatte er eine Sehnsucht in sich gespürt, Missionar zu werden. Doch letztendlich hatte der liebe Gott andere Pläne mit ihm; P. Thomas wurde Religionslehrer und Erzieher. Doch der Gedanke an die Fremde ließ ihn nie los, und im Alter von 70 Jahren wagte er einen Neubeginn: „Bei Gott müsste ich mich entschuldigen, dass ich mit 70 noch einmal aufbrach – wie ein junger Hund – um in der ,ersehnten Mission’ zu arbeiten.“ Er wurde 2010 im Internat der Salvatorianer in Bangalore Erzieher – fast drei Jahre lang. Er wäre dort auch länger geblieben, aber die indischen Behörden verlängerten aus unerfindlichen Gründen seine Aufenthaltserlaubnis nicht. Doch „zum Glück gibt es Salvatorianer auch in Sri Lanka; ein Katzensprung übers Meer“, erinnert sich der Ordensmann. Dort, in dem von der Ordensgemeinschaft gemieteten Haus in Chilaw (an der Westküste des Indischen Ozeans, nahe der Hauptstadt Colombo) mit einer „neuen“ kleinen Gemeinschaft von zwei Patres und acht Jugendlichen, wollte er die Verlängerung des Visums abwarten – und blieb „picken“, wie man so schön mundartlich sagt.
Sri Lanka ist 65.000 Quadratkilometer groß, also um einiges kleiner als Österreich, hat aber um einiges mehr Einwohner, nämlich rund 21 Millionen. Das Land ist arm; ein rund 30-jähriger Bürgerkrieg zwischen tamilischen Separatisten und der von Singhalesen dominierten Zentralregierung ging erst 2009 zu Ende und hatte zahlreiche Todesopfer gefordert, vor allem aus der Zivilbevölkerung. „Doch die gemeinsamen Aufbauarbeiten scheint die Leute aller Religionen zusammenzuhalten“, erzählt P. Thomas.
Für den Österreicher war Sri Lanka eine komplett neue Erfahrung: „Für mich war alles neu: In der Nacht erfreut mich das Moskitonetz, am Tag der österreichische Moskitospray und um 4:30 Uhr in aller Früh der Muezzin. Und 15 Minuten später schallten christliche Kirchenlieder und anschließend Hindulieder über die Dächer der Stadt. Ist das nicht ein tolles Zeichen, dass so etwas möglich ist – nach 30 Jahren Bürgerkrieg, in dem die Religionen nicht immer eine friedliche Rolle gespielt haben.“ Rund sechs Prozent sind Katholiken; die Mehrzahl, rund 70 Prozent, bekennen sich zum Buddhismus.
P. Thomas arbeitet mittlerweile im SDS-Ausbildungshaus in Jaffna. Hier ist er Erzieher in einem Internat für junge Männer; die meisten besuchen das rund eine Stunde entfernte St. Patrick‘s College. Das Leben für die Jugendlichen ist nicht leicht und von Entbehrungen gekennzeichnet. Erst im vergangenen Jahr hatte der heftige Regen das Dach des Internats zerstört; nicht nur P. Thomas, sondern auch die Schüler mussten die eine oder andere Nacht in nassen Schlafstätten verbringen. „Gott sei Dank hatten wir eine sanfte Regenzeit“, erinnert sich P. Thomas. „Und schließlich fanden wir auch einen Sponsor, der uns wenigstens einen Teil der Reparatur für ein neues Dach finanzierte.“
Wenn der Salvatorianer über seine Schützlinge spricht, dann ist er voll des Lobes: „Sie kommen alle aus armen Familien. Aber was ihnen an Geld fehlt, das machen sie mit Kreativität wett. Sie brauchen keine Computer oder Fernseher, um sich zu unterhalten. Sie basteln sich Dinge, erfinden Spiele und haben genau so viel Spaß wie die Kinder bei uns in Österreich. Ich werde sie vermissen.“
Wie sehen seine persönlichen Pläne aus? „Das weiß ich noch nicht; ich bin noch am Überlegen. Vielleicht gehe ich nach Temeswar“, lächelt P. Thomas. „Vielleicht kann die junge Gemeinschaft den Rat eines alten Ordensmannes brauchen.“
P. Thomas Runggaldier in Indien. (c) P. Thomas Runggaldier
Der alte Traum ist ausgeträumt
P. Thomas‘ eigene Worte zu seinem Abschied von Sri Lanka
Der alte Traum ist ausgeträumt.
Warum ging ich? War‘s das, wovon ich geträumt?
„Den kannst du gleich mitnehmen“, sagte unser Kaplan zu seinem Aushilfspater, einem Salvatorianer, in der Sakristei, ,,der will Missionar werden“.
Und ich freute mich, dass es eine „Missionarsschule“ gibt; die Salvatorianer, so nahe.
Die Koffer gepackt und gedacht, dort wird man Missionar.
Hey, vorher kommt das Gymnasium und eine Menge Theologie.
Leuchtete mir später auch ein.
Ich bin dankbar, dass ich während der langen Studienzeit den alten Traum nicht vergessen habe. Auch nicht, als ich nach der Priesterweihe noch Jahre Religionslehrer und Erzieher war.
Bei Gott müsste ich mich entschuldigen, dass ich mit 70 noch einmal aufbrach – wie ein junger Hund – um in der „ersehnten Mission“ zu arbeiten.
Ich ging nach Indien, und dort wurde der Traum wahr, singend, spielend, im Internat der Salvatorinaner in Bangalore. Ich wurde dort aufgenommen, als hätten sie auf mich gewartet. Und es war eine Traumzeit.
Doch: Nach drei Jahren bekam ich in Indien kein Visum mehr.
So, und jetzt?
Zum Glück gibt es Salvatorinaner auch in Sri Lanka; ein Katzensprung übers Meer. Fast ironisch: Ich war schon über 70 – wusste aber nicht, dass im Durchschnitt die Leute in Sri Lanka nur 65 werden; sonst wäre ich schon 12 Jahre pensionsreif, oder, nach dem Durchschnitt, schon tot.
Bin bis jetzt noch gar nicht auf den Gedanken gekommen, über den Tod nachzudenken – im Himmel gibt es dafür mehr Zeit.
Was sich, langsam aber sicher, mehr aufgedrängt hat, ist, dass altes Eisen zu rosten anfängt. Und dass ich mir nicht einbilden kann, den Himmel (schon) verdient zu haben. Eher, dass die ganze Welt von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes lebt.
Grund genug, weiter zu „tanzen“ und das Leben, jetzt und dann, Seiner Liebe zu überlassen.
P. Thomas Runggaldier, August 2019
Der Artikel ist der Ausgabe 2/19 von "die Salvatorianer" entnommen.