Er hat alles richtig gemacht
Es war ein sogenannter "Sandler", den P. Albert Gabriel auf der Straße liegend fand und der in der bitteren Winterkälte elendiglich fror. Dieses Bild verfolgte den Salvatorianer und ließ ihn nicht mehr los. "Hinschauen, nicht wegschauen“, dachte sich der damalige Pfarrer von Mariahilf und nahm sich fest vor, etwas zu tun, um die Not dieser Menschen zu lindern.
Es blieb tatsächlich nicht beim Vorsatz: 1986 gründete P. Albert zusammen mit seinen Schülern des Ammerling-Gymnasiums eine Wärmestube für Menschen ohne Bleibe. Was als erste Anlaufstelle für Obdachlose mit Schmalzbroten und Tee in der Adventzeit begann, ist heute wohl Wiens bekannteste Obdachloseneinrichtung: die Gruft . „Es ging im nasskalten Winter damals darum, die vielen frierenden Obdachlosen nur mit einem Gutschein der Pfarre Mariahilf für Wurstsemmeln wegzuschicken oder doch ein wenig wirksamer zu helfen“, erinnert sich der Salvatorianer. „Meine Schüler versprachen, Betteltouren für Lebensmittel und Kleidung zu machen und mich täglich abwechselnd mit zwei Stunden Betreuung zu unterstützen.“
Daraus ergab sich dann anschließend der weitere Ausbau der Gruft – zuerst ganztägig mit erwachsenen Helfern, anschließend Ausbau für 24 Stunden mit Schlafmöglichkeit. Die Gruft unter der Mariahilfer Kirche, ursprünglich ein Pestfriedhof, bietet heute Wohnungslosen ein warmes Essen, eine Übernachtungsmöglichkeit mit 120 Schlafplätzen, saubere Kleidung und eine Duschgelegenheit. Seit 1996 ist die Gruft ein Projekt der Caritas. Doch der Salvatorianer war nicht nur Mitbegründer der Gruft , sondern auch der Initiator der Sozialeinrichtung „Ganslwirt“, einer sozialmedizinischen Drogenberatungsstelle. Beide Institutionen zählen heute als Mustereinrichtungen im Sozialbereich. Für sein Wirken erhielt P. Albert am 12. April 2013 die Professor-Dr.-Julius-Tandler-Medaille der Stadt Wien im Wiener Rathaus überreicht.
Hinschauen und nicht wegschauen
„Wien braucht Menschen, die hinschauen und nicht wegschauen“, unterstrich die damalige Stadträtin Mag. Sonja Wehsely anlässlich der Verleihungszeremonie. Und genau das zeichnete P. Albert sein ganzes Leben lang aus: Er ist bekannt dafür, dass er seine Taten zwar unkonventionell doch konsequent umsetzt.
Der Salvatorianer, der am 6. Februar 1936 in eine Bauernfamilie aus St. Peter am Wimberg in Oberösterreich hineingeboren wurde, besitzt die außergewöhnliche Gabe, die „Zeichen der Zeit“ zu lesen, zu interpretieren und klar darauf zu antworten. Dabei lässt er sich von Konventionen, Autoritäten, unabänderliche Sachzwänge kaum beeindrucken. „Der Albert war als Erzieher nach pädagogischen Grundsätzen oft unmöglich, aber was mich am meisten ärgert ist: Er hat alles richtig gemacht!“, wusste ein ehemaliger Schüler zu berichten.
Lehrplan für Ethik
Schon Anfang der 90er-Jahre machte sich P. Albert als Diözensaninspektor für den Religionsunterricht Gedanken über die zahlreichen Abmeldungen zum Religionsunterricht. Er erarbeitete daraufhin einen ganz ausgezeichneten Entwurf für einen Lehrplan für einen Ethikunterricht auf der Grundlage der der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 - prompt bekam er vom damaligen Kardinal Groer einen Rüffel und wurde vom erzbischöflichen Schulamt vorzeitig in den Ruhestand geschickt. Erst Jahre später entschuldigte sich Kardinal Schönborn bei P. Albert und meinte, man hätte auf ihn hören sollen.
Abschied von Mariahilf …
Der schwerste Abschnitt in seinem Leben war sicherlich der Abschied aus Mariahilf. Auf einem Provinzkapitel wurde mit großer Mehrheit beschlossen, diese Pfarre an die Erzdiözese Wien zurückzugeben. Und dann passierte ein interessantes Phänomen: Gerade die Menschen, die vorher die Einrichtung der Gruft massiv abgelehnt haben, waren dieselben, die P. Albert nicht gehen lassen wollten, weil die Gruft ohne ihn zum Scheitern verurteilt sei. Der Salvatorianer hatte mit seiner Arbeit, mit seinem Wirken das Samenkorn für ein Umdenken und letztendlich für mehr Menschlichkeit gelegt.
… und Aufbruch in die Donaucity
Aber Däumchen drehen – das tut ein Salvatorianer nicht. Und als in der Donaucity Not am Mann war, war P. Albert der rechte Mann zur rechten Zeit. Dort konnte er seine Fähigkeiten und Talente ausbreiten. „Als pensionierter Diözesaninspektor für Religionsunterricht an einer Wiener AHS bin ich jetzt Kaplan in Kaisermühlen und Rektor der neuen Donaucity-Kirche“, schrieb er selbst auf der Homepage der jungen, aufzubauende Gemeinde.
Das Rektorat Christus, Hoffnung der Welt wurde zum Aushängeschild der Buntheit in unserer Kirche. „Vom Rosenkranz bis zu Wir sind Kirche und zuletzt du als ungehorsamer Priester, hatte hier alles Platz – und zwar nicht als Konkurrenz, sondern als eine bunte Blumenwiese, die erst dadurch in ihrer Farbenpracht erfreuen kann“, machte Provinzial P. Josef Wonisch seinem Mitbruder in einer Rede ein Kompliment.
Ein Neuanfang in Graz
Und noch einmal lockte ihn eine Herausforderung: Mit 77 Jahren übernahm P. Albert die Salvatorpfarre in Graz. Zwei Gründe waren es, die den Ordensmann bewogen haben, sich aus dem warmen Nest in der Wiener Donaucity-Kirche für die Grazer Salvatorpfarre zu melden: „Erstens traf es mich sehr hart, als es hieß: wir Salvatorianer müssen aus Personalmangel die Grazer Pfarre aufgeben. Meldet sich denn niemand für Graz? Zweitens habe ich von meinen ersten Priesterjahren starke emotionelle Bindungen an den Lindweg und an das Carnerigymnasium. Damals sah ich in Graz Nord diese gute Pfarre entstehen – und den Kirchenbau. Viele schöne abenteuerliche Erlebnisse sind für mich mit Graz verbunden.“
Der Pfarre blieb er viele Jahre treu verbunden. Als sich auch hier der Orden zurückziehen und die Pfarre der Diözese übergeben musste, stieß die Bitte der Gemeinde, die Übergangszeit zu überbrücken und P. Albert noch in der Pfarre zu belassen, bei ihm auf off ene Ohren.
In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, dichtete Hermann Hesse. So gesehen ist P. Albert ein echter Zauberer, denn mit all seinen Anfängen hat er den Grundstein dafür gelegt, dass sich das Leben von vielen Menschen verbessert hat. „Zu deinem Gottvertrauen kommt noch dazu: Menschenvertrauen“, schrieb Provinzial P. Josef Wonisch über seinen Mitbruder. „Du gehst menschenfreundlich und direkt auf Menschen zu, du traust auch Menschen etwas zu und lässt etwas riskieren. Und auch wenn jemand einen Fehler macht, ist das für dich keine Katastrophe, du lässt vieles wachsen, bis zur Ernte. So konntest du schon viele gute Früchte ernten.“
Der Artikel ist aus dem Magazin "die Salvatorianer" 2/19 entnommen.
[rsonnleitner]