
"Vorurteile ent-lernen" – Salvatorianische Gemeinschaften übergeben Stipendium für Rassismusforschung
Die drei Zweige der Salvatorianischen Gemeinschaften feierten 2018 den einhundertsten Todestag des Ordensgründers, Pater Franziskus Jordan. „Er war ein Visionär von einer Kirche, wo alle – Männer und Frauen – berufen und gesandt sind zur Verkündigung der Frohen und heilsamen Botschaft für alle Menschen“, formulierte es P. Josef Wonisch, Provinzial der Salvatorianer, in seiner Begrüßungsrede.
Provinzial P. Josef Wonisch. (c) Manu Nitsch
Anlässlich dieses Gedenkjahres wurde beim Hauptevent am 16. Juni 2018 im Radio Kulturhaus ein Stipendium angekündigt, das als Zeichen für die Zukunft gedacht war.
Das „Fremde“ auszuhalten ist nicht einfach
„Wir haben uns gefragt: Was wäre P. Jordan heute wichtig?“, erinnerte sich Generalökonomin Sr. Brigitte Thalhammer. „Wie würde er auf die Entwicklungen in der Welt heute reagieren? Was könnte nachhaltig von diesem Feiern bleiben? Was könnte für eine größere Öffentlichkeit von Nutzen sein? Was ist Thema bzw. Herausforderung in der Gesellschaft?“ Ein wichtiger Begriff rückte in der Spiritualität und im Wirken P. Jordans in den Mittelpunkt – und zwar die sogenannte „Universalität“ d.h. die Salvatorianerinnen und Salvatorianer wollen mit allen Mitteln, die die Liebe eingibt, an allen Orten und mit allen Menschen Christus verkünden und sich für das Leben aller einsetzen.
Generalökonomin Sr. Brigitte Thalhammer. (c) Manu Nitsch
P. Jordan hat schon sehr früh einen Respekt vor anderen Kulturen und anderen Weisen, den Glauben auszudrücken, entwickelt. Die Verschiedenheit bzw. das „Fremde“ auszuhalten ist nicht einfach – und doch eine Notwendigkeit in unseren pluralen Gesellschaften. Insofern ist dieses Anliegen der Universalität, das P. Jordan geprägt hat, heute aktueller denn je. „Wir wollen nicht nur international, sondern - was noch mehr ist - auch interkulturell sein“, so die Ordensfrau.
Dazu gehört die Frage, wie man in der heutigen pluralen Situation das gute Miteinander lernen kann. Auch die Kirche müsse sich hier engagieren. Die Dissertation könne dabei Anstöße und konkrete Handlungsoptionen liefern.
Provinzial P. Josef Wonisch, Generalökonomin Sr. Brigitte Thalhammer, Birgit Prochazka und Regina Polak. (c) Manu Nitsch
Auch Kirchenkreise nicht frei von Rassismus
Wenngleich mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar, treten Ablehnung, Fremdenfeindlichkeit bis hin zu rassistischen Äußerungen immer wieder auch in Kirchenkreisen auf, betonte Stipendiatin Birgit Prochazka. Durch ihre beruflichen Tätigkeiten in den letzten elf Jahren hat sie vermehrt auch im kirchlichen Kontext die Erfahrung gemacht, dass der theologischpastorale Bereich von Rassismus und Vorurteilen nicht ausgenommen ist.
Birgit Prochazka. (c) Manu Nitsch
Wie dem entgegengewirkt werden kann, wie Rassismus und Vorurteile ent-lernt werden können, das ist der Gegenstand ihrer Dissertation. Ihre Forschung soll dazu beitragen, den heiklen und auch schweren Themen Rassismus und Vorurteile konstruktiv und nicht mahnend entgegen zu treten. Ihre Ergebnisse sollen nähren, motivieren und anregen. Sie sollen Wege aufzeigen, die Kirche und Pastoral gehen können in einem Europa und in einer Welt, wo Pluralität längst Normalität geworden ist. Der vorläufige Arbeitstitel laute einstweilen: "Vier mal vier - eine Matrix für antirassistische und vorurteilsbewusste Reflexionen von Theologie und Pastoral".
Pioniere der Veränderung
Wissenschaftlich begleitet wird die interdisziplinär ausgerichtete Dissertation von der Vorständin des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Regina Polak. Rechtsautoritäre und rechtspopulistische Dynamiken seien unvereinbar mit dem christlichen Glauben, der ja die fundamentale Gleichheit an Würde aller Menschen betonte und keinen Menschen als "an sich fremd" ansehe, sagte die Theologin klar und deutlich. Dass es europaweiten Studien zufolge trotzdem Zusammenhänge zwischen traditionellem katholischem Selbstverständnis und Ablehnung von Migration und Migranten gebe, „kann die Pastoraltheologie nicht kaltlassen“, so Polak.
Regina Polak. (c) Manu Nitsch
Nicht die Migranten selbst hätten zu verantworten, dass Fremdenfeindlichkeit europaweit wieder salonfähig geworden sei, betonte Polak. Vielmehr stehe dahinter eine Vielzahl von Gründen wie etwa das historische Erbe Europas, jedoch auch „Mangel an Fantasie und Ideen, wie denn ein Zusammenleben in einer Migrationsgesellschaft, in der es normal ist, verschieden zu sein, im Guten aussehen könnte“.
Provinzial P. Josef Wonisch und Generalökonomin Sr. Brigitte Thalhammer überreichen Birgit Prochazka offiziell das Stipendium. (c) Manu Nitsch
Daher sei es ein mutiger Schritt der Salvatorianischen Gemeinschaften, mit einer Pionierarbeit an die Erforschung dieser Frage zu wagen, betonte die Theologin. Polak weiter im O-Ton: „Ich beobachte schon seit einigen Jahren, dass die österreichischen Ordensgemeinschaften aufbrechen und zu Pionieren der Veränderung werden."