Leiden Sie an Berufung?
„Ob mich Kollege Sonnleitner schon wegen eines Artikels für die kommende Ausgabe der Zeitschrift ‚die Salvatorianer‘ gefragt habe?“ Meine Begeisterung ob der beim mittäglichen Mahl so en passant gestellten Frage von Kollege Korosec war enden wollend.
Mag ein kleiner Teil meiner Ablehnung der Befangenheit hinsichtlich meiner literarischen Fähigkeiten geschuldet gewesen sein. Das Hauptargument war jedoch, dass ich auch ohne das Aufspüren meiner journalistischen Talente schon ausgelastet genug sei. Nach dem ruhigen Auftakt zu Jahresbeginn füllt sich der Kalender nun wieder mit Terminen jeglicher Art, die ersten Agapen und Veranstaltungen wollen organisiert und betreut werden, endlich Ordnung in das in den vergangen Jahren eher zur Abstellkammer mutierte Pfarrarchiv zu bringen, habe ich mir für dieses Jahr nun fix vorgenommen und das Schreiben der Pfarrchronik entwickelt sich ohnehin schon eher zur einer Gedächtnisübung. Und, und, und ...
Trotz eingangs erwähntem Widerwillen ließ ich mich zumindest zu der Frage herab, worum es denn in dem Artikel überhaupt gehen solle. „Schreib einfach über deinen Beruf“, sagte Kollege Korosec. „Das Thema sei ‚Berufung‘“, konkretisierte Kollege Passini. Mein spontaner Kommentar darauf: „Wo ist da der Unterschied?“
Berufung ausleben
Nun ist Berufung doch ein großes Wort. Ohne die Bedeutung meines Berufsstandes schmälern zu wollen, so denkt man dabei doch eher, um im kirchlichen Bereich zu bleiben, an geistliche Würdenträger, an Ordensmänner und -frauen. Priester zu werden oder einem Orden beizutreten bedeutet mehr, als die Wahl seiner beruflichen Tätigkeit zu treffen. Es ist eine Entscheidung, welchen Lebensweg man gehen möchte, nicht nur den in einem Beruf, den man am Feierabend und zum Wochenende ablegen kann.
„Seiner Berufung folgen“, würde man hier sagen. Das trifft auf mich wohl weniger zu, hatte ich doch, um der Wahrheit die Ehre zu geben, dereinst bei den Überlegungen zu meinem späteren Werdegang die Tätigkeit in einer Pfarrkanzlei eher nicht in die engere Wahl genommen. Jedoch kann man seiner Berufung nicht nur folgen, man kann sie auch finden.
Ist dies nun bei mir der Fall? Nur weil ich gerne tätig bin und das, was ich tue, mir Freude macht? Weil ich mich an meinem Arbeitsplatz wohlfühle, dankbar bin, hier sein und ich sein zu dürfen, und es somit nicht als unzumutbar empfinde, auch einmal länger oder am Wochenende zu arbeiten? Oder auch während freier Tage mitunter den Drang verspüre, kurz nach dem Rechten zu sehen? Weil ich nicht vor jedem Handgriff in der Arbeitsbeschreibung für Pfarrsekretäre nachschlage, ob etwas zu meinen Aufgaben gehört oder nicht? Weil ich vieles nicht tun muss, es aber einfach gerne tue und dabei nicht frage: was, wofür, für wen, warum und für welche Gegenleistung? Weil ich mit dem Begriff „Work-Life-Balance“ nichts anfangen kann, da ich meine Arbeit, das, was ich tue, nicht als etwas meinem Leben Entgegengesetztes sehe, sondern als Teil davon? Als einen Teil, der mich zufrieden macht, mich erfüllt und mir wert- und sinnvoll erscheint?
Ich kann nicht sagen, ob es meine Bestimmung ist, Pfarrsekretärin zu sein. Aber für meine Tätigkeit hier in St. Michael mag die Diagnose, an Berufung zu leiden, durchaus zutreffen.
Wie man damit umgeht? Ausleben! Wie eine Grippe oder eine Lungenentzündung nicht übergangen werden sollte, wäre es auch hier ratsam, die Anzeichen nicht zu ignorieren, sondern ausbrechen zu lassen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie chronisch werden und Nebenwirkungen wie Glücksgefühle und innere Zufriedenheit zur Folge haben. Damit kann man leben. Sehr gut sogar.
Text: Conny Gröger
Foto: Robert Passini